In den letzten drei Jahren hat der Sektorfaktor die Performance stark beeinflusst, sagt Nicolas Di Maggio, CEO und Head Asset Management indirect investments bei der Swiss Finance & Property Group. Es gebe einen klaren Zusammenhang zwischen dem Anteil an Wohnimmobilien im Portfolio und der Gesamtperformance. Die hohen Agios werden deshalb in nächster Zeit nicht sinken.

Die Nachfrage der Immobilienanleger blieb 2021 stark, obschon die Performance- Entwicklungen teils deutlich divergierten. Wie hat sich der Markt für Direkt-Investitionen entwickelt?

Nicolas Di Maggio: Der Appetit auf Immobilieninvestitionen ist nach wie vor gross, wie die steigenden Transaktionspreise und der damit einhergehende weitere Rückgang der direkten Renditen zeigen. Die jüngsten Zahlen von Wüest Partner weisen aus, dass die Spitzenanfangsrenditen für Wohnimmobilien in den letzten zwölf Monaten um 0.3 bis 0.4 Prozent auf fast 1.5 Prozent gesunken sind. Bei Büro- und Verkaufsflächen ist der Rückgang mit 0.2 Prozent auf Niveaus von 2.0 bis 2.5 Prozent weniger ausgeprägt.

Wie hat sich das Angebot entwickelt?

Die Angebotsquote sinkt in allen Sektoren, was die soliden Grundlagen für den Markt belegen. Dies spiegelt sich auch im Rückgang der Leerstandsquote im Wohnsektor und einem begrenzten Anstieg der Büro- und Verkaufsflächen wider, die langfristig durch das Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum im tertiären Sektor gestützt werden.

Wie sieht es bei den indirekten Investments aus? Hier divergierten die Performance-Entwicklungen ja sehr stark.

Die Immobilienindizes beendeten das Jahr 2021 im positiven Bereich, wobei die Immobilienfonds mit einem Anstieg von 7.32 Prozent an der Spitze lagen und die Anlagerendite erneut übertrafen. Mit einem Interquartilsabstand von 13.4 Prozent im Jahr 2021 liegt die Streuung der Performance zwischen den einzelnen Produkten etwas unter dem historischen 10-Jahres-Durchschnitt von 14.0 Prozent und deutlich unter dem Wert von 2020, als der Interquartilsabstand 28.2 Prozent betrug. Abgesehen von diesen einzelnen Zahlen ist es interessant zu sehen, dass in den letzten drei Jahren der Sektorfaktor die Performance stark beeinflusst hat. So gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen dem Anteil an Wohnimmobilien im Portfolio und der Gesamtperformance. Dies hat zur Folge, dass der Beitrag des erhöhten Agio-Niveaus zur Gesamtperformance im Wohnsektor stärker war als im kommerziellen Sektor.

Zu reden geben auch immer wieder die hohen Agios. Sind diese noch nachhaltig?

Die Höhe des Agios muss im Gesamtkontext gesehen werden und sagt allein nicht aus, ob der Markt zu teuer ist oder nicht. Solange die Anlagerenditen und vor allem die Höhe der Dividendenrenditen einen attraktiven Spread zu den sogenannten „risikofreien“ Anlagen aufrechterhalten, sollte sich das Agio-Niveau auf einem hohen Niveau halten können. Dennoch gilt es, realistisch zu bleiben und die aktuellen Entwicklungen zu beachten.

Wie haben sie sich letztes Jahr entwickelt?

In den letzten zwölf Monaten hat sich der Abstand noch vergrössert. Auf der Ebene des Immobilienfonds Index’ gab es einen weiteren Anstieg des Agio-Niveaus von 40.5 auf 42.7 Prozent. Die erwartete Sektor Rotation blieb bislang aus und der Large-Cap-Sektor (Fonds, die überwiegend über die Sektoren hinweg diversifiziert sind) verzeichnete einen Anstieg des Agios um 4.7 auf 51.5 Prozent, der Wohnsektor einen Anstieg um 1.8 auf 44.9 Prozent, während der kommerzielle Sektor erneut einen Rückgang um 1.9 auf 16.9 Prozent verzeichnete. Die Immobiliengesellschaften folgten dem Trend der Kommerzfonds mit einem Rückgang des Agio-Niveaus um 6.1 auf 15.3 Prozent.

Die Aktivitäten auf dem Primärmarkt mit den anstehenden Kapitalerhöhungen werden 2022 zu einer ausgeprägten Volatilität führen. Wie wichtig wird dabei die Titelwahl werden?

Das Jahr 2022 kündigt sich als ein Übergangsjahr an. An der Front eines soliden Wirtschaftswachstums werden die Zentralbanken und die Regierungen zu einer „normalen“ Geld- und Fiskalpolitik zurückkehren oder zumindest versuchen, von den ultraexpansiven Massnahmen der letzten Jahre langsam abzurücken. Die unterschiedlichen Tempi in den grossen Wirtschaftsräumen wie USA, Europa und  APAC dürften ebenfalls eine Quelle erheblicher Volatilität an den Finanzmärkten und damit auch für Schweizer Immobilienanlagen sein. All dies könnte durch eine starke Aktivität auf dem Primärmarkt mit temporären grossen Angebotssteigerungen noch verschärft werden.

Spricht für eine diversifiziertere Asset Allocation und dem Ausschauhalten nach weiteren Opportunitäten?

Eine gute Asset Allocation wird zweifellos dazu beitragen, Phasen höherer Volatilität aufzufangen. Die Absorptionskapazität der Immobilienportfolios für eine etwas höhere Inflation in den nächsten Jahren ist nicht identisch und bedarf auch einer besonderen Analyse. Die Auswahl der Sektoren und Einzeltitel wird ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Performance leisten.

Börsengänge haben bereits 2021 für Umschichtungen im SWIIT-Index geführt. Nun zeichnet sich die Kotierung des Fonds CS 1a Immo PK ab, der allein eine Marktkapitalisierung von über CHF 4 Milliardenrepräsentieren wird. Wie wird sich das auf die Grössenverhältnisse im Index auswirken?

Es ist noch zu früh für eine endgültige Prognose, wie sich die Kotierung des CS 1a Immo PK auf die Gesamtperformance des Marktes auswirken wird. Mit einem Gewicht von über 6 Prozent und einem Anteil passiver Anleger im Markt von über 20 Prozent stellt er jedoch zweifellos eine Chance für Immobilienanleger dar.

Rechnen Sie mit weiteren Börsengängen?

Mit 40 kotierten Fonds sind wir weit von den 15 Mitgliedern entfernt, die Anfang der 2000er Jahre nach einer Konsolidierungswelle infolge der Immobilienkrise in den 1990er Jahren an der Börse kotiert waren. Allein in den letzten zwölf Monaten wurden drei neue Mitglieder in den Immobilienfonds-Index aufgenommen und zwei Fonds wurden fusioniert. Mit derzeit mehr als 20 nicht kotierten Fonds und bereits neuen Produkten in der Pipeline für 2022 wird das Angebotsreservoir für weitere Börsengänge für die kommenden Jahre nicht so schnell versiegen.

Die Immobiliengesellschaften entwickelten sich 2021 gegenüber dem Schweizer Aktienmarkt (SPI +23.4%) und ihren ausländischen Pendants (EPRA Developed +31.9% in CHF) massiv schwächer. Wie bewerten Sie deren Aufwertungsspielraum?

Die Immobiliengesellschaften folgten dem Trend der Kommerzfonds mit einem Rückgang des Agio-Niveaus im Jahr 2021 um 6.1 auf 15.3 Prozent, was unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre von 16.7 Prozent liegt. Dank den soliden Ergebnissen und der Erhöhung des Nettoinventarwerts liegt die Performance für 2021 bei plus 4.35 Prozent. Ein Drittel der Mitglieder des REAL Index für Immobiliengesellschaften hat für 2021 eine zweistellige Rendite erreicht, was den Vergleich mit vielen Immobilienfonds nicht zu scheuen braucht. Nichtsdestotrotz, über die durchschnittliche Performance des Index’ herrscht eine gewisse Frustration, denn die erzielten Ergebnisse sind überaus erfreulich, wie die Jahresergebnisse, die in den kommenden Wochen publiziert werden, zweifellos belegen werden. Die Gesellschaften haben beispielsweise eine durchschnittliche Leerstandsquote von nur vier Prozent, die seit mehreren Jahren kontinuierlich sinkt und die Ausschüttungsniveaus werden wahrscheinlich wieder erhöht.

Wird es zu einer Bewertungsanpassung kommen?

Während wir in vielen Anlageklassen und Sektoren extrem hohe Bewertungen sehen, haben die Schweizer Immobiliengesellschaften, die sich in den letzten Jahren nahe ihrer Anlagerenditen entwickelt haben, eine niedrigere und nachhaltigere Bewertung beibehalten. Die Rolle des sicheren Hafens in volatileren Märkten sollte es den Gesellschaften ermöglichen, im Vergleich zu ihren ausländischen Pendants, den Schweizer Aktienmärkten und schliesslich vielleicht auch im Vergleich zu Immobilienfonds wieder in den Vordergrund zu treten.

Immobilien sind für einen Grossteil der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs verantwortlich. Der ökologische Umbau ist somit für den Immobilienmarkt eine riesige Herausforderung. Die EU hat mit der Taxonomie Verordnung nun einen Schritt in die Zukunft eingeleitet. Wie steht die Schweiz bezüglich ESG da?

Die EU hat mit dem sogenannten «European Green Deal», welcher eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 anstrebt, wichtige Impulse gesetzt. Mit der EU Taxonomy wird ein gemeinsames und nachvollziehbares Verständnis geschaffen, welches bei Immobilien Bestandesimmobilien, Renovationen und den Bau miteinbezieht. Die EU Taxonomy hat somit einen direkten Einfluss auf die Berichterstattung unter der «Sustainable Finance Disclosure Regulation» (SFDR), welche seit dem 10. März 2021 in Kraft ist. Die Umsetzung wirft auch neun Monate nach Inkrafttreten allerdings noch grosse Fragen auf.

Wie reagiert die Schweiz?

Der Bundesrat verfolgt internationale Initiativen aufmerksam. So hat der Bundesrat bereits im Dezember 2020 das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, eine verbindliche Umsetzung der Empfehlungen der «Task Force on Climate-related Financial Disclosures» (TCFD) für Schweizer Unternehmen der Gesamtwirtschaft zu erarbeiten. Schweizer Unternehmen, die Finanzdienstleistungen in der EU anbieten wollen, müssen die Regulierungen beachten und so profitieren Schweizer Investoren indirekt von diesen Transparenzanforderungen. Die Immobilienindustrie ist über ihre Verbände, beispielsweise AMAS (Asset Management Association Switzerland) und KGAST (Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen), in Selbstregulierungsarbeiten beschäftigt, eine Reihe von Kennzahlen wie beispielsweise die Energieintensität, den Energieträgermix oder den Energieverbrauch vorzuschlagen und in der Branche umzusetzen.

Wie gross schätzen Sie die Gefahr ein, dass ein rascher Anstieg der Zinsen den Immobilienmarkt in Schieflage bringt?

Trotz des starken Anstieges in den letzten Jahren, werden Immobilien mit einem historisch hohen Aufschlag gegenüber 10-jährigen Bundesanleihen gehandelt, wobei die Spanne der Kapitalisierungszinssätze in den wichtigsten Sektoren deutlich über dem historischen Durchschnitt liegt. Angesichts dieser Ausgangslage müssen steigende Zinssätze nicht unbedingt zu einem entsprechenden Anstieg der Kapitalisierungssätze oder einem Rückgang der Immobilienwerte führen.

Sondern?

Ein Anstieg der Zinssätze wird wahrscheinlich mit einer höheren Inflation einhergehen und in einem Kontext von Wirtschaftswachstum stattfinden. Auch in diesem Fall bieten Immobilien einen interessanten Schutz: steigende Wiederbeschaffungskosten, Mieten und damit Werterhaltung.

Interview: Remi Buchschacher

Nicolas Di Maggio ist CEO und Head Asset Management indirect investments bei der Swiss Finance & Property Group.