Die EU macht Ernst mit der angestrebten Klimawende. Seit Anfang Jahr ist die neue Taxonomie-Verordnung in Kraft, doch es fehlt nach wie vor an der notwendigen Transparenz und Orientierung. In der Schweiz ist dies nicht anders. Stark betroffen ist die Immobilienwirtschaft. Von Remi Buchschacher

Nachhaltiges Investieren ist das Zauberwort der Gegenwart. Nicht nur in der Schweiz gilt es die Liefer- und Anlagekette aus nachhaltiger Sicht zu betrachten, auch die EU hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2050 sollen die Mitgliedsländer CO2-neutral wirtschaften. Damit das gelingt, muss nahezu die gesamte Wirtschaft umgebaut werden – ein teures Vorhaben. Die EU will dabei nicht nur auf Vorschriften und Verbote setzen, sondern vor allem auf den Kapitalmarkt als Steuerungsinstrument.

Das Interesse an nachhaltigen Investments ist gross, sowohl von grossen Fondsgesellschaften als auch von Kleinanlegern. Der Markt für ESG-Investments (Environmental, Social and Governance, also an ökologischen und sozialen Kriterien sowie guter Unternehmensführung ausgerichteten Anlagen) ist innerhalb weniger Jahre von einer winzigen Nische auf ein Volumen von mehreren hundert Milliarden Euro im Jahr 2020 angewachsen. Im Jahr 2021 dürften es bereits weit über eine Billion Euro gewesen sein.

Greenwashing als grosse Gefahr

Bislang ist es jedoch den Investoren, Banken oder Fondsanbietern weitgehend selbst überlassen, welche Kriterien sie für grüne Investments anlegen. Marktakteure befürchten deshalb, dass auch Greenwashing, also das «grün Anstreichen» von unverändert umweltschädlichen Geschäften, ein nicht zu unterschätzendes Thema wird, das es zu beobachten gilt. Kritiker bemängeln das schon seit Längerem und weisen darauf hin, dass dieses Thema weit verbreitet und für Anleger nur schwer durchschaubar ist.

Doch nun soll Ordnung und Transparenz in dieses Billionen-Geschäft gebracht werden. Die Europäische Kommission hat am 21. April 2021 einen ersten delegierten Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung im Hinblick auf die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel vorgelegt. Und dieserdelegierte Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung ist seit dem 1. Januar 2022 anzuwenden. Taxonomie bedeutet Klassifizierung, so enthält die Verordnung unter anderem eine Hunderte Seiten lange Auflistung, welche Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig gelten, und wie die Unternehmen ab einer bestimmten Grösse diese Nachhaltigkeitsreports berechnen und veröffentlichen müssen. Die Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft sind enorm. Die technischen Bewertungskriterien des delegierten Rechtsakts beinhalten für Immobilien insgesamt sieben Unterkategorien mit konkreten Vorgaben unter anderem für den Neubau und die Renovierung von Gebäuden sowie den Gebäudebestand.

Reduzierung des Energiebedarfs

Zum Beispiel sind gemäss dem Anhang I Neubauten mit Blick auf das Umweltziel des «Klimaschutzes nur dann Taxonomie konform, wenn der Primärenergiebedarf mindestens 10 Prozent unter den nationalen Werten des Niedrigstenergiegebäudestandards liegt. Für Renovierungs- oder Sanierungsmassnahmen ist das jeweils geltende Gebäudeenergiegesetz massgeblich. Alternativ ist eine Renovierungs- beziehungsweise Sanierungsmassnahme auch dann Taxonomie konform, wenn sie zu einer Reduzierung des Primärenergiebedarfs von mindestens 30 Prozent führt (1).

Für den Gebäudebestand ist das Errichtungsdatum entscheidend. Differenziert wird zwischen Gebäuden, die vor dem 31. Dezember 2020 errichtet worden sind, und Gebäuden, die nach diesem Datum errichtet wurden. Gebäude, deren Errichtungsdatum vor dem 31. Dezember 2020 liegt, sind Taxonomie konform, wenn sie mindestens den Energieeffizienzanforderungen gemäss des Energy Performance Certificate A entsprechen. Alternativ sind sie auch dann Taxonomie konform, wenn sie zu den 15 Prozent energieeffizientesten Gebäuden des nationalen oder regionalen Gebäudebestandes gehören. Gebäude, die nach dem 31. Dezember 2020 errichtet wurden, sind Taxonomie konform, wenn sie den oben genannten Neubaukriterien des delegierten Rechtsakts entsprechen. Doch es fehlt die notwendige Klarheit, wann eine Immobilie zu den «oberen 15 Prozent des nationalen oder regionalen Gebäudebestands» gehört, wie EY in einer Marktbefragung feststellt. Es bestehe ebenfalls Unklarheit, welche Kriterien eine wirtschaftliche Aktivität oder Immobilie erfüllen muss, um als Taxonomie konform zu gelten.

Anhang II verlangt zudem hinsichtlich des Umweltziels «Anpassung an den Klimawandel» für die Taxonomie-Konformität von Gebäuden eine Identifikation der für das jeweilige Gebäude einschlägigen Klimarisiken. Zudem müssen Anpassungslösungen existieren, die die wichtigsten Klimarisiken für das Gebäude wesentlich reduzieren.

Grosse Auswirkungen

Die Auswirkungen der Taxonomie-Verordnung auf die Immobilienwirtschaft sind gross, auch wenn derzeit noch einige Fragen bei der Auslegung des Regelwerks offen sind und noch weitere Rechtsakte folgen werden. Die Akteure der Immobilienwirtschaft werden gut beraten sein, die in der Taxonomie-Verordnung implementieren Kriterien baldmöglichst umzusetzen, auch in der Schweiz. In den direkten Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung fallen zwar nur Finanzmarktteilnehmer, die bestimmte Finanzprodukte anbieten, wie beispielsweise Immobilienfonds und -Anlagestiftungen. Die durch die Taxonomie-Verordnung normierten Offenlegungs- und Transparenzpflichten werden jedoch über kurz oder lang die gesamte Immobilienwirtschaft betreffen. Dann werden Immobilien, die nicht Taxonomie konform sind, weniger stark nachgefragt werden und auch weniger einfach mit Fremdkapital finanzierbar sein. Dies dürfte sich auf die Wertentwicklung solcher Immobilien auswirken. Die Preisunterschiede zwischen energieeffizienten und nicht-energieeffizienten Gebäuden werden in den nächsten Jahren steigen. Investoren sollten daher bereits jetzt diese Kriterien in ihrer Ankaufentscheidung berücksichtigen und die Bestandeshalter frühzeitig ihre Immobilien darauf überprüfen, ob diese bereits Taxonomie konform sind und wenn nicht, mit welchem Aufwand dieses Ziel erreicht werden kann.

Doch die Grenzen zur Einstufung eines Gebäudes hinsichtlich Taxonomie-Konformität ist bei der Einführung der EU-Taxonomie einer deutlichen Mehrheit der Befragten laut der EY-Umfrage unklar. Es bleibe fraglich, wie dies in den vorvertraglichen Informationen und Jahresberichten umgesetzt werden soll. Es brauche eine Gesamtsensibilisierung der Akteure des Immobilienmarktes hinsichtlich der Anwendungsgrenzen der EU-Taxonomie, wird kritisiert.

Vorstösse aus dem Parlament

Auch in der Schweiz soll die EU-Taxonomie möglichst bald eingeführt werden. Die SP-Nationalrätin Cécile Weber hat einen entsprechenden Vorstoss im Parlament eingereicht. Der Bundesrat wird darin beauftragt, zu prüfen und in einem Bericht darzulegen, wie die EU-Taxonomie-Verordnung, welche einheitliche und transparente Kriterien für nachhaltige Investitionen definiert, in das Schweizer Recht überführt und an den Schweizer Kontext angepasst werden kann, damit verbindliche Definitionen für einen nachhaltigen Finanzplatz eingeführt werden können. In seinem Bericht vom 24. Juni 2020 ist der Bundesrat jedoch zum Schluss gekommen, dass für eine staatliche Taxonomie aktuell kein Regulierungsbedarf gegeben sei. Die internationalen Entwicklungen in der Branche, namentlich in der EU (beispielsweise im Bereich der Taxonomie und Offenlegung) würden jedoch eng verfolgt und in die weiteren Vertiefungsarbeiten einbezogen.

Unabhängig von diesen laufenden Arbeiten hat der Ständerat bereits 2019 mit dem Postulat der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-S) den Bundesrat beauftragt, Massnahmen vorzuschlagen, wie die Schweiz ein Ziel des Übereinkommens von Paris, nämlich die Finanzmittelflüsse klimaverträglich auszurichten, erreichen kann. Der Bericht sollte unter anderem aufzeigen, welche Ansätze und Massnahmen in Anlehnung an den EU-Aktionsplan, der auch die Taxonomie beinhaltet, bei den Finanzmarktakteuren die richtigen Anreize setzen, sodass die Investitionen in klimafreundliche Anlagen umgelenkt werden.

Im Bericht, der dem Parlament nun vorliegt, zeigt sich der Bundesrat vorderhand noch zurückhaltend, was die Übernahme der Taxonomie-Verordnung anbetrifft. Zwar sieht er die Schweizer Finanzinstitute, welche nachhaltige Finanzprodukte in der EU anbieten wollen oder Kunden aus dem EU-Raum haben, direkt oder indirekt von der Taxonomie-Verordnung betroffen. Ebenfalls dürften börsenkotierte realwirtschaftliche Unternehmen ein Interesse haben, ihre entsprechenden Geschäftstätigkeiten auszuweisen. «Ein einheitliches Verständnis, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als ‘grün’ oder ‘nachhaltig’ bezeichnet werden können, ist nicht vorhanden. Daher gibt es auch noch kein offizielles, gemeinsames Verständnis, welche Investitionen in solche Wirtschaftsaktivitäten und Finanzierungen derer im Detail als klimaverträglich, grün oder nachhaltig gelten», hält der Bundesrat in seinem Bericht fest (2).

Führender Standort werden

Die Schweiz habe sich durch die Ratifikation des Pariser Übereinkommens zum Ziel bekannt, die Finanzflüsse in Einklang mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung zu bringen und wolle gemäss Bundesrat ein führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen werden. Mit den Investitionen und Finanzierungen, neben der finanziellen auch eine positive Umweltrendite zu erzielen, werde für viele Investoren zunehmend relevant, weil die Kunden und Versicherten, die Finanzinstitute selbst, die Verbände und die Politik zunehmend sensibilisiert sind und die neuen EU-Regulierungen an Bedeutung gewinnen. Doch die konkrete Umsetzung übergibt die Landesregierung den Branchenakteuren: «Zur Nachhaltigkeit in der Finanzberatung und Vermögensverwaltung haben die Schweizerische Bankiervereinigung sowie die Asset Management Association Switzerland in Zusammenarbeit mit dem Verband Swiss Sustainable Finance je einen übergeordnete Leitfaden verfasst. Diese sind aktuell weniger konkret und detailreich als die EU-Regulierungen und nicht verpflichtend.» (3)

(1): Blogbeitrag der Rechtsanwaltskanzlei CMS Deutschland
(2): Wie kann die Schweiz die Finanzmittelflüsse klimaverträglich ausrichten? Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 19.3966 der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats UREK-S vom 16. August 2019
(3):  SBVg_Sustainable-Leitfaden_DE.pdf; DE_2020_06_16_SFAMA_SSF_key_messages_and_recommendations_final.pdf (sustainablefinance.ch)