Wie verändern PropTechs den Immobilienmarkt? Eine Frage, die zum Teil kontrovers beantwortet wird. Eines zeigt sich aber deutlich: gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen ist der Innovationsdruck in der Immobilienwirtschaft gross. Die Disruption verändert die Branche in immer kürzeren Abständen.
Erhofft oder herbeigeredet wurde er häufig. Gegeben habe es ihn trotzdem nicht – den Digitalisierungsschub als Folge der Corona-Pandemie. Dies schreibt Holger Schmidt, Fondsmanager und Geschäftsführer der DEIX Digital Economy Investments GmbH. Allenfalls einen «Homeoffice-Schub» stellt auch das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in seinem Digitalisierungsindex 2021 fest. Denn stark gestiegen sei nur die Digitalisierung der Prozesse in den Unternehmen, weil das Analoge eben nicht mehr möglich war. «Die Produkte sind nur etwas und die Geschäftsmodelle so gut wie gar nicht digitaler geworden», so Schmidt. In der internen Qualifizierung der Mitarbeiter sei aufgrund der Sparzwänge sogar ein deutlicher Rückschritt festzustellen, obwohl hier eigentlich der grösste Nachholbedarf besteht. «Der sogenannte Digitalisierungsschub durch Corona hat vor allem auf Ebene der Prozesse stattgefunden und ist nicht umfassend», zitiert Schmidt das IW.
Viele Unternehmen haben bei der Evaluation einer Business Software immer noch das Gefühl, dass es sich hierbei um ein IT- oder Finanzprojekt handelt. «Dies bezieht sich sicherlich auf grosse Teilprojekte bei der Ablösung von alten Systemen. Aber im Endeffekt handelt es sich um ein Change-Projekt welches ein deutliches Commitment der obersten Führungsetage erfordert», sagt Martin Scheidegger, Gründer und Partner der Adapt Solutions AG. Prozesse werden durch neuere Prozesse abgelöst und Jobprofile ändern sich, da neue oder andere Aufgaben dazukommen welche auch neue Verantwortungen und Kompetenzen mit sich bringen. Martin Scheidegger: «Es ist wichtig, diesen Change-Prozess von Anfang an zu thematisieren. Nur so sind die Mitarbeitenden eines Unternehmens auf die sich verändernde Unternehmensstruktur sensibilisiert».
PropTechs auf dem Vormarsch
Etwas besser sieht es gegenwärtig in der Immobilienwirtschaft aus: Die zögerliche Entwicklung in der Digitalisierung ist der Nährboden für Investitionen in PropTechs, die weiterhin tendenziell steigend sind und welche die Digitalisierung in der Immobilienbranche disruptiv beeinflussen. Im Fokus steht dabei immer mehr die Nachhaltigkeit. Gemäss Creti (Center for real estate technology & innovation) ist der Sommer 2021 für die globale Immobilientechnologiebranche eine Rückkehr zur Normalität gewesen, nachdem sie im Pandemiejahr 2020 um 25 Prozent eingebrochen ist. In den Sommermonaten Juni bis August 2021 sind laut Creti insgesamt rund 8 Milliarden US-Dollar in PropTechs investiert worden. Im Monatsvergleich stieg dabei auch das Dollarvolumen um 43,7 Prozent, wobei allein im Juli 3,687 Milliarden US-Dollar in Immobilientechnologieunternehmen investiert wurden. Bis am 30. November haben Immobilien-Startups laut PitchBook-Daten im Jahr 2021 weltweit mehr als 19,6 Milliarden US-Dollar aufgebracht und damit einen Jahresrekord aufgestellt. Ein Zeichen dafür, dass sich der Sektor weiter von der pandemiebedingten Flaute des letzten Jahres erholt hat.
100 Millionen für Landing
Bereits im Frühjahr 2021 wurde in den USA eine erste grosse Finanzierungsrunde für Immobilien eingeläutet: 100 Millionen US-Dollar für Landing, ein Unternehmen, das möblierte Wohnungen für flexible, langfristige Aufenthalte vermietet. Landing sammelte 45 Millionen US-Dollar in einer Serie-B-Runde sowie weitere 55 Millionen US-Dollar in einer Schuldenfaszilität. Im dritten Quartal 2021 wurden gemäss Creti gesamthaft 4,2 Milliarden US-Dollar in Wohnimmobilientechnologie von 166 Unternehmen mit einem durchschnittlichen Finanzierungsbetrag von 7 Millionen US-Dollar investiert. Die grösste Finanzierungsrunde ging an Homelight, eine Immobilienplattform, auf der Benutzer Häuser kaufen oder verkaufen können. Dabei ging es um eine Serie-D-Finanzierung und Schuldenrunde in der Höhe von 363 Millionen US-Dollar. Eine andere bemerkenswerte Runde ist Ribbon gewesen, ein in New York ansässiges Eigenheimunternehmen mit 350 Millionen US-Dollar als Serie-C-Finanzierung. Ebenso wurde Reali erwähnt, ein in San Mateo ansässiges Eigenheimunternehmen mit einer Serie-B-Finanzierung von 250 Millionen US-Dollar.
Zudem hat die Creti Venture Capital Investitionen in private erneuerbare und nachhaltige Unternehmen analysiert, die Lösungen für die Dekarbonisierung der «gebauten» Welt suchen. Im dritten Quartal 2021 wurden so 1,992 Milliarden US-Dollar in 32 private alternative Energieunternehmen investiert, darunter Unternehmen für erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit, die sich für die Dekarbonisierung einsetzen. Auch hier sind die Investitionen von Monat zu Monat gestiegen, nach Dollarvolumen um 118%. Im August 2021 hat es einen Höchststand von 1,2 Milliarden US-Dollar gegeben.
Zuwachs auf der ProptechMap
Auch in der Schweiz befindet sich die die PropTech-Szene weiterhin auf dem Vormarsch. Heinz M. Schwyter vermeldet auf seiner ProptechMap Switzerland einen Zuwachs an Schweizer PropTechs. Quasi als Endspurt vor dem Jahreswechsel kommen neun PropTechs neu auf seine Map. «Die weltweite Pandemie führte zu einer verstärkten Akzeptanz von Technologie innerhalb der Immobilienwirtschaft. Gerade die Lockdowns zwangen die Verantwortlichen zu neuen Lösungen, wie physische Assets gebaut, betrieben und unterhalten werden», schreibt der PropTech-Experte in den PropTech News. Er sieht die Arbeitswelt vor grossen Herausforderungen. Zum Beispiel wie die Immobilienwirtschaft auf die Art und Weise reagiert, wie Menschen nach Covid-19 leben und arbeiten wollen. Oder wie die Forderungen nach Gesundheit, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit aufgenommen und umgesetzt werden können.
«Es herrscht weiterhin Aufbruchstimmung. Aufgrund der Pandemie wurde die Immobilienwirtschaft bezüglich Innovation um Jahre nach vorne geworfen. PropTechs werden ernst genommen», schreibt er in den PropTech News. Die Immobilienwirtschaft habe akzeptiert, dass die technologischen Veränderungen von Aussen kommen, dass sie auf die Befruchtung durch die PropTechs angewiesen sei. Gerade bei den Klimazielen müsse die Immobilienwirtschaft handeln. «PropTechs mit Fokus auf Nachhaltigkeit haben eine tolle Zukunft vor sich.»
*Luca Calanni ist Inhaber von Calanni Estates und Gründungsmitglied der PropTech Academy.