Wenn das digitale Gebäudemodell kontinuierlich im gesamten Erstellungsprozess nachgeführt wird, stehen die gewünschten Informationen phasengerecht allen Beteiligten jederzeit und aktuell zur Verfügung. Darin sieht Michael Ulli, Geschäftsführer der ICFM AG, vor allem den Mehrwert der BIM-Methode für das Facility Management.
Der SIA hat mit der Herausgabe des Merkblatts SIA 2051 «Building Information Modelling (BIM) – Grundlagen zur Anwendung der BIM-Methode» eine Verständigungsnorm geschaffen. Wie kann sich das Facility Management einbringen?
Michael Ulli: Die BIM-Methode gestattet allen Beteiligten ihre Anforderungen an das zukünftige Gebäudemodell zu definieren. Dies erlaubt es dem FM seine Informationsanforderungen frühzeitig zu definieren und in den bestehenden Planungs- und Bauprozess einzubringen. Das gemeinsam erarbeitete Gebäudemodell ermöglicht dabei die kontinuierliche Überprüfung der definierten Anforderungen und stellt so sicher, dass die gewünschten Informationen in der definierten Tiefe rechtzeitig für den Betrieb bereitstehen.
Die vorliegende Wegleitung wird durch eine Arbeitsgruppe gepflegt. Dies ist auf Grund der stetigen Weiterentwicklung der Thematik wichtig. Dabei werden Praxiserfahrungen aufgenommen und eingearbeitet. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Die SIA versucht alle Betroffenen miteinzubeziehen. Das SIA-Gremium besteht aus verschiedenen Vertretern aus Planung, Bauen und Bewirtschaftung. Mit dem Netzwerk Bauen Digital Schweiz und dem Netzwerk Digital wird das gemeinsame Verständnis gefördert und der Austausch unter den verschiedenen Playern gestärkt. So kann sichergestellt werden, dass die Interessen aller gewahrt werden und die Erfahrungen aus der Praxis wieder zurück in die Normierung fliessen. Es ist eine Herausforderung die dezentral gewonnenen Erfahrungen aus der Methode in eine statische Normierung miteinzubeziehen. In der Vergangenheit wurden Normen jeweils anhand etablierter Prozesse und Verfahren definiert. Dies ist bei einer so radikalen Veränderung der Zusammenarbeit nicht möglich und bedarf deshalb einer Veränderung innerhalb der bestehenden SIA-Struktur. Diese Veränderung wird aktiv angegangen.
Die Wegleitung soll das gemeinsame Verständnis zwischen Planung, Bau und Bewirtschaftung vertiefen. Tut es das?
Ja, es zeigt auf wie der Prozess zukünftig besser ablaufen könnte und dass die Bewältigung dieser Veränderung eine gemeinsame Aufgabe ist und ein Umdenken aller Beteiligten erfordert. Nur zusammen kann von den Mehrwerten der neuen Methode profitiert werden.
Die Überführung der relevanten Daten aus der Errichtungsphase in die Nutzungsphase ist ein neuralgischer Punkt: Wird es versäumt, entsprechende Dokumentationsanforderungen rechtzeitig und verpflichtend zu formulieren, besteht ein hohes Risiko qualitätsarme Daten zu erhalten. Wird sich das mit BIM verbessern?
Nicht automatisch. Die Methode beinhaltet das gemeinsame Erarbeiten eines Gebäudemodells. Nur wenn dort die Betriebsanforderungen rechtzeitig integriert und kontinuierlich auf deren Vorhandensein geprüft werden, ist es möglich, den Informationsverlust bei der Betriebsübergabe zu minimieren. Im Idealfall stehen so die betriebsrelevanten Daten bereits vor der Betriebsübergabe zu Verfügung und ermöglichen einen verlustfreien Übergang in den Unterhalt der Liegenschaft.
Wer pflegt die Daten und Merkmale und zu welchem Zeitpunkt werden sie im SIA-Phasenmodell zu liefern sein?
Das hängt vom jeweiligen Projekt ab und von der zukünftigen Betriebsorganisation. Es ist wichtig, dass das FM sich bereits in einer sehr frühen Phase einbringen kann und es Teil des Planungsprozesses wird, damit es die Anforderungen an die Daten regelmässig auf deren Qualität hin prüfen kann. Für eine Simulation der Betriebsabläufe sind Informationen in einer frühen Planungsphase notwendig. Für die Ausschreibung des technischen Unterhalts werden die relevanten Bauteil- und Anlageinformationen erst während der Erstellung benötigt aber vor Vollendung des Bauwerkes. Die unterschiedlichen Infos müssen von allen Beteiligten gepflegt werden. Nicht alle Informationen die das FM braucht, können von den Planern gepflegt werden. Deshalb ist die gemeinsame Arbeit am Modell entscheidend sowie die Definition wer, wann, welche Daten zu erfassen hat. Der BIM-Koordinator führt nicht nur die Kollusionsprüfung durch sondern stellt auch sicher, dass phasengerecht die benötigten Informationen vorhanden sind.
Es braucht dafür also einen BIM-Koordinator. Wo wird dieser angesiedelt und wer bezahlt ihn?
Wo der BIM-Koordinator angesiedelt ist, ist von mir aus gesehen nicht entscheidend. Wichtig ist das er die Interessen aller beteiligten wahrnimmt. Im Planungsprozess selber hat sich die Koordination bereits etabliert und die Vorteile des Modells wurden bereits erkannt und werden schon genutzt. Wenn man jedoch die zunehmende Wichtigkeit des nachhaltigen Datenmanagements anschaut, müsste diese Funktion auf Seite des Bauherrn gewährleistet werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die gewünschten Informationen auch sauber in den Betrieb überführt werden können.
Für Architekten, Planer und Handwerker ist das Gebäude nach dem Bau abgeschlossen und nach einer Karenzzeit ist auch die Garantieleistung abgelaufen. Das FM hingegen beschäftigt sich mit dem Gebäude oft Jahrzehnte lang. Sollten Sie nicht vermehrt auf eine gut funktionierende Datengrundlage pochen?
Doch unbedingt. Mit der BIM-Methode kann das Bewusstsein aller Beteiligten im Erstellungsprozess eines Bauwerkes nochmals auf diesen Aspekt hin geschärft werden. Nur gemeinsam können nachhaltige Gebäude erstellt und bewirtschaftet werden. Ich sehe dies auch als eine der Hauptaufgaben der Baubranche um ihren Teil der zukünftigen Dekarbonisierung wahr zu nehmen. Wichtig ist aber nicht nur das pochen auf eine saubere Grundlage sondern auch das prüfen der phasengerechten Informationsanforderung von Seite des Betriebes.
Das Merkblatt SIA 2051 sieht Möglichkeiten für das Facility Management vor, zu einem früheren Zeitpunkt als auf konventionellem Weg aus dem «digitalen Zwilling» sogenannte DataDrops zu erhalten. Langt das um Risiken beim Übergang von der Entwicklungs- in die Betriebsphase eines Gebäudes zu minimieren?
Ja, wenn diese auch eingefordert und geprüft werden. Es ist aber wichtig den Planungs- und Baubeteiligten auch zu erläutern, weshalb diese Informationen zu diesem Zeitpunkt gefordert werden. Nur wenn diese auch den Mehrwert verstehen, kann das gemeinsame Ziel optimal erreicht werden. Deshalb ist es auch so wichtig, dass konkrete für das Projekt spezifische Informationen gefordert werden und nicht einfach irgend ein Datenfeldkatalog eines anderen Projekts beigelegt wird. Dafür benötigt der Bauherr aber entsprechende Besteller-Kompetenz. Er muss die zukünftige Betriebsorganisation sowie die dafür benötigten Informationen kennen. Zudem sollte er die Möglichkeiten von BIM kennen.
Sie sagen, dass der Bauherr als Besteller mehr Kompetenz mitbringen sollte für das, was er wirklich braucht und auch genau wissen sollte, was er bestellt hat. Sollte dies nicht längst überall der Fall sein?
Natürlich wissen die meisten Bauherren schon heute was sie benötigen für ein funktionierendes Bauwerk. Was aber noch zu wenig berücksichtig wurde bis anhin, sind die Informationsanforderungen aus dem Betrieb. BIM selber löst das Problem nicht, dass die Planungs- und Baubeteiligten den Betrieb zu wenig abgeholt haben. Die Informationsanforderungen aus dem Betrieb haben sich trotzt BIM nicht verändert. Lediglich die Art der Zusammenarbeit wurde beeinflusst. Ob mit BIM oder ohne BIM gearbeitet wird, hat eigentlich keinen Einfluss auf die geforderten Informationen für den Betrieb. BIM als Methode bietet aber die Möglichkeit, die Informationsanforderungen aller zu einem sehr frühen Zeitpunkt gemeinsam zu erarbeiten und in einem digitalen Modell abzubilden. Wenn das digitale Gebäudemodell dann kontinuierlich im gesamten Erstellungsprozess nachgeführt wird, stehen die gewünschten Informationen phasengerecht allen Beteiligten jederzeit und aktuell zur Verfügung. Darin sehe ich vor allem den Mehrwert der BIM-Methode.
Interview: Remi Buchschacher