Nach einer langen Phase der niedrigen bis negativen Inflation kamen in den letzten Wochen und Monaten auch in der Schweiz Inflationsängste auf. Dies insbesondere vor dem Eindruck steigender Inflationsraten in wichtigen Wirtschaftsräumen wie den USA, der Europäischen Union und Grossbritannien. Zur Entwicklung einer optimalen Finanzierungsstrategie in einem Inflationsszenario muss erst betrachtet werden, wie sich Inflation auf Immobilienanlagen, Erträge aus diesen Anlagen und auf die Finanzierungsinstrumente auswirkt.
Der nominale Wert einer Immobilie definiert sich durch die Entwicklung der (nominalen) Mietzinsen sowie des Diskontierungssatzes. Der Diskontierungssatz ist neben dem Zinsumfeld auch insbesondere abhängig von den Risikoprämien. Im vorliegenden Artikel sollen insbesondere die Mietzinseinnahmen betrachtet werden.
Das Verhalten der Mietzinsen zur Inflation ist abhängig von der Ausgestaltung der Mietverträge und damit dem lokalen Rechtsrahmen – dies ist auch der Grund, warum empirische Erkenntnisse aus dem Ausland nur bedingt übertragbar sind auf die Situation der Schweiz. So zeigen Analysen aus den USA von 1978 bis 2016, dass die Mieteinnahmen von Retailflächen zu 102% gegen Inflation geschützt sind, Wohnflächen aber nur zu 56%. Dies ist dadurch erklärbar, dass im US-Markt Verträge zu Retailflächen an die Inflationsentwicklung gekoppelt sind, jene der Wohnfläche jedoch nur teilweise.1
Mietpreisanpassungen in der Schweiz
Auch in der Schweiz ist die Abhängigkeit zwischen Inflation und Miete stark abhängig vom Objekttyp (siehe Abbildung 2 und 3). Sowohl bei Wohn- als auch Gewerbeobjekten bestehen ausreichend Möglichkeiten, bei zunehmender Inflation Preisanpassungen vor zu nehmen, insbesondere bei Gewerbeobjekten. Jedoch fehlt es allen Marktteilnehmern heute an Erfahrung im Umgang mit Mietpreissteigerungen während einem laufenden Vertrag. Es ist also zumindest in einer Anfangsphase mit Unsicherheit zu rechnen, bis sich Inflationserwartungen bei allen Marktteilnehmern gefestigt haben und sich inflationsbedingte Mietpreissteigerungen problemlos realisieren lassen.
Inflation oder Stagflation
Historisch und in der Gegenwart lassen sich sehr unterschiedliche Formen der Inflation beobachten: Diese reichen von einer «gutartigen» Inflation, in der Preissteigerungen eine Reaktion auf zu stark ausgelastete Produktionsfaktoren sind, also zum Beispiel Vollbeschäftigung herrscht und die Wirtschaft real wächst. In einem solchen Umfeld lassen sich auch Mietpreiserhöhungen leicht durchsetzen, da die ökonomischen Akteure an steigende Preise und Löhne gewöhnt sind und gleichzeitig die Expansion der Ökonomie Verteilkonflikte reduziert.
Davon zu unterscheiden sind «Stagflationen», wo eine Preissteigerung mit schlecht ausgelasteten Produktionsfaktoren einhergeht, also beispielweise gleichzeitig eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Dies kann zum Beispiel auf Angebotsschocks (z.B. Ölpreisschocks der 1970er Jahre, Währungskrisen), Regulierung (z.B. nicht marktgerechte Mindestlöhne, Steuererhöhungen) oder Monetarisierung von Staatsschulden, Missernten (im Falle von agrarisch geprägten Gesellschaften) und/oder Strukturprobleme des Wirtschaftssystems zurück zu führen sein. In einem solchen Umfeld ist es deutlich schwieriger, Mieterhöhungen durch zu setzen, da die Kaufkraft aller Akteure bereits unter Druck steht und in solchen Fällen vor allem bei Gewerbeobjekten ein Überangebot an Mietfläche zu erwarten ist. Investoren, die sich in Bezug auf Inflation positionieren möchten, müssen also präzise sein, ob sie von einer «gutartigen» Inflation oder eine Stagflation ausgehen.
Nominalzinsen und Inflation
In der Diskussion werden Zinsen und Inflation oft miteinander vermischt, oder es wird im Falle einer steigenden Inflation «automatisch» von steigenden Zinsen ausgegangen. Historisch lässt sich auch ein Zusammenhang zwischen Inflation und Zinsen beobachten, insbesondere in den USA. Wobei dieser Zusammenhang seit der Finanzkrise von 2008 in Europa faktisch ausgesetzt ist.
Zins ist nichts anderes als ein Marktpreis für Kapital. Dies gilt für alle Bausteine eines Zinssatzes – sowohl der risikofreie Zins als auch Zu- und Abschläge für Risikoprämien und Laufzeit. Dieser Marktpreis bildet sich aus Angebot und Nachfrage, wobei insbesondere die Nachfrage am kurzen Ende der Zinskurve erheblich durch Transaktionen der Notenbanken beeinflusst wird. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass vor dem Hintergrund der erheblichen Schuldenlast der Staaten die Zinsen zumindest am kurzen Ende auch in einem inflationären Umfeld niedrig bleiben – diese Methode wurde von verschiedenen Staaten nach dem 2. Weltkrieg zur Senkung der realen Staatsschulden eingesetzt.2 Dieser Vorgang wird als «Finanzielle Repression» bezeichnet.
Abhängig vom realisierten Szenario kann sich ein Immobilieninvestor somit bei identischer Inflation mit einer sehr unterschiedlichen Zinssituation konfrontiert sehen. Wohnobjekte sind gegen Zinssteigerungen durch die Möglichkeit von Mietzinserhöhungen aufgrund steigenden Referenzzinsen per se gut geschützt. Jedoch fehlt es auch hier den heutigen Marktakteuren an Erfahrung im Umgang mit steigenden Nominalmietzinsen während eines Mietverhältnisses. Insbesondere im Falle steigender Zinsen im Umfeld von hohen Leerständen ist eine Anpassung von Mietzinsen schwierig.
Finanzierungsstruktur
Ein Hauptmerkmal von Immobilienanlagen ist, dass sie üblicherweise einen Fremdkapital-Hebel aufweisen. Die Positionierung des Fremdkapitals auf der Zinskurve beeinflusst das Zinsrisiko-Profil des Gesamtportfolios.3 Von manchen Marktteilnehmern wird in einem Umfeld von steigender Inflation der Abschluss langfristiger Festhypotheken empfohlen. Diese Empfehlung geht implizit von zwei Annahmen aus:
1) Dass die Prognose steigender Zinsen noch ungenügend in der Zinskurve berücksichtigt ist, also die Steilheit der Zinskurve zu niedrig ist
2) Dass eine steigende Inflation auch tatsächlich mit steigenden Zinsen verbunden ist
In der Realität macht eine langfristige Absicherung also vor allem dann Sinn, wenn die eigene Prognose ein Umfeld von tatsächlich steigenden Zinsen antizipiert und dies in Kombination mit einer Zinskurve, welche die prognostizierte Zinssteigerung noch nicht beinhaltet. Ebenfalls stabilisiert eine langfristige Finanzierung die Cash-Flow-Planung: Wenn sich die Erträge – zum Beispiel aufgrund einer ungünstigen konjunkturellen Lage oder niedrigen Inflationserwartungen – nur verzögert steigern lassen, dann kann eine langfristige Finanzierung den Zeitraum bis zur Normalisierung der Lage überbrücken.
Fazit
Schweizer Immobilien bieten in Bezug auf Mieterträge aufgrund der vertraglichen Usanzen und rechtlichen Gegebenheiten grundsätzlich einen guten Schutz gegen Inflation, egal ob bei Wohn- oder Gewerbeimmobilien. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Inflation mit einer positiven konjunkturellen Entwicklung einhergeht und sich die Mieterhöhungen tatsächlich ohne Leerstände in einem Objekt realisieren lassen. Ein Investor kann zusätzlich seine Situation durch den Abschluss von lang- fristigen Finanzierungen absichern, ausser er geht von einer Entkoppelung von Inflation und Nominalzinsen aus. Diese langfristige Anbindung macht be- sonders bei einer geringen Risikofähigkeit Sinn, also vor allem einer hohen Belehnung der Objekte und geringen laufenden Überschüssen aus der Vermietung.