Der rasche und transparente Zugriff auf relevante Informationen wird helfen, den Immobilien Lebenszyklus hinsichtlich Werterhaltung, Wertsteigerung sowie Qualität und Kosten positiv zu beeinflussen, sagt Raphael Kohler, CEO der Axept Business Software AG. Und die Kommunikation zwischen den Marktteilnehmern massiv vereinfachen.
Trotz Fortschritten in der gesamtheitlichen Betrachtungsweise des Immobilien-Lebenszykluses fällt auf, dass ein Nachholbedarf beim Übergang vom Betrieb zur Nutzung der Immobilien besteht. Wie wird sich dies lösen lassen?
Raphael Kohler: Kollaboration ist hier wohl das richtige Stichwort; es geht darum über geeignete digitale Plattformen die involvierten Parteien von der Entwicklung, über den Bau bis hin zum Facility Manager auf eine einfache Art und Weise zu verbinden.
Für eine höhere Effizienz mit entsprechendem Mehrwert braucht es jedoch eine Struktur, bei der sich alle Beteiligten auf gleicher Augenhöhe bewegen. Es gilt also die Kernkompetenzen der einzelnen Parteien besser zu nutzen und zu vernetzen. Wie lässt sich das erreichen?
Neben Technologiestandards wie BIM braucht es dazu digitale “Begegnungsorte”, an welchen Informationen zur Verfügung gestellt und ausgetauscht werden können, welche für die Marktteilnehmer relevant sind. Der rasche und transparente Zugriff auf relevante Informationen wird dabei helfen den Immobilien Lebenszyklus hinsichtlich Werterhaltung, Wertsteigerung sowie Qualität und Kosten positiv zu beeinflussen. Zudem wird die Kommunikation zwischen den Marktteilnehmern massiv vereinfacht.
In der frühen Planungsphase von Gebäuden stehen der Bauherr und der Architekt vor der Entscheidung, welches architektonische Konzept, welche Art und Qualität die Hülle und welche technische Ausstattung das Gebäude haben soll. Es liegt aber in den meisten Fällen keine Information über das Verhalten von einzelnen Lösungen während der Betriebsphase vor, welche die Lebenszykluskosten wesentlich beeinflussen.
Das ist leider tatsächlich so – oft findet während der Planungsphase noch immer keine Gesamtkostenbetrachtung statt, welche auch die Betriebskosten nach der Realisierung des Bau- und Immobilienprojekts mit berücksichtigt. Es wäre ja möglich, dass ein Produkt- oder Architekturentscheid während der Bauphase zwar initial teurer, im Unterhalt über einen längeren Zeitraum betrachtet jedoch kostengünstiger ausfallen könnte. Für eine solche Betrachtungsweise ist natürlich auch die Erhebung von Erfahrungswerten der Betriebskosten notwendig.
Bemängeln lässt sich die Tatsache, dass kaum jemand in der Praxis die Lebenszykluskosten von Immobilienprojekten berechnet, insbesondere weil keine Daten zu den Folgekosten zur Verfügung stehen, die dem individuellen Gebäude entsprechen. Wie lässt sich ein effizientes Controlling aufbauen?
In der Praxis stehen bereits heute Software Systeme zur Verfügung, welche eine Vollkostenrechnung für eine Immobilie oder einzelne Objekte oder Einheiten dieser Immobilie ermöglichen. Auch Axept bietet mit AXimmo diesbezüglich einen vollintegrierten Ansatz. Es ist also möglich, alle betrieblichen Kosten klar zuzuweisen und zu verbuchen. Aus unserer Erfahrung wird dies bereits in zahlreichen Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche so gemacht, sofern die eingesetzten Software Systeme dies auch ermöglichen. Aus heutiger Sicht fehlen eher geeignete Werkzeuge für eine rasche und transparente Analyse der erfassten Daten. Damit könnten bereits heute Betriebskosten besser ermittelt und zukünftig in eine Bau- und Betriebskostenkalkulation mit einfliessen.
Es lohnt sich also bereits in der Planungsphase mögliche Entwicklungen mit mehreren Szenarien zu planen und zu rechnen. Können damit die Flexibilität für die Nutzungsphase erhöht und die Risiken reduziert werden?
Aus meiner Sicht lohnt es sich immer in Varianten oder Szenarien zu denken und die Nutzungsphase im Entscheidungsprozess während der Planungsphase mit zu berücksichtigen. Ob damit die Flexibilität in der Nutzungsphase erhöht wird, ist schwierig zu beurteilen. Vielleicht ist Flexibilität gar nicht das wichtigste Thema für den Bauherrn – vielleicht geht es mehr um die Kosten oder die Nachhaltigkeit oder den Umweltschutz. Dann können unter Umständen wieder andere bauliche Ansätze relevant sein. Mit Sicherheit entsteht eine wesentlich grössere Transparenz für die Nutzungsphase und es können bewusste Enscheide gefällt werden, was dem Bauherrn oder dem Immobilienbesitzer mit Sicherheit einen grossen Mehrwert bietet.
Um einen fundierten Vergleich der Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Varianten vorzunehmen, müssen die gesamten Lebenszykluskosten in die Entscheidungsfindung und das Controlling eingehen. Dies bedingt eine entsprechende Datengrundlage und ein Berechnungstool. Gibt es bereits solche Tools?
Ja, solche Tools sind vorhanden und aktuell bei innovativen Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche auch hoch im Kurs. Axept bietet mit AXview on Qliksense ebenfalls eine entsprechende Software Lösung an. Weitere Tools sind zum Beispiel Power BI oder Tableau, welche es erlauben, Daten aus verschiedenen Datenquellen einfach und effizient zu analysieren und aufgrund dieser Analysen Informationen, Erkenntnisse und Empfehlungen abzuleiten. Dass oftmals Informationen zu den Lebenszykluskosten noch fehlen liegt somit weniger an den zur Verfügung stehenden Werkzeugen, sondern am Bewusstsein der jeweiligen Unternehmen mit vorhandenen und vermutlich bereits erfassten Daten gezielt zu arbeiten und einen Mehrwert für Bauherren und Immoblienbesitzer durch eine höhere Kostentransparenz zu generieren.
Während der Bewirtschaftungsphase ist ein Gebäude einer ständigen Transformation unterworfen: Erhalten, Betreiben, Instandsetzen, Umnutzen. Wie lassen sich alle diese Bedürfnisse berücksichtigen?
Diese Transformation muss durch geeignete Tools unterstützt werden. Vorzugsweise natürlich durch einen integrierten Ansatz, bei welchem das Objekt, die Immobilie im Fokus steht und alle Aktivitäten mit oder in diesem Gebäude erfasst werden und zentral zusammenfliessen. Schlussendlich bewege ich mich in einem dauernden Zyklus von planen, bauen, betreiben, welcher auch für Unterhalts- und Sanierungsarbeiten immer wieder von vorne beginnt. Mit unseren Tools unterstützen wir den kompletten Prozess und haben ein gesamtheitliches Verständis fürs Bau- und Immobilienmanagement entwickelt.
Die Kostenanalyse über die verschiedenen Lebenszyklusphasen hinweg entspricht also dem ganzheitlichen Ansatz, den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Sind denn bereits bei der Planung alle Parameter bekannt, um die ganze Lebensdauer eines Gebäudes zu berechnen?
Vermutlich nicht immer zu 100 Prozent – aber es ist besser mit Erfahrungswerten und Annahmen zu arbeiten als gar keine Berechnungsgrundlagen zu haben. Konkret habe ich lieber eine Einschätzung welche mit einer Genauigkeit von plusminus 20 Prozent stimmt als gar keine. Wenn man dann im Verlaufe des Lebenszyklus die Berechnungen im Planungsprozess mit den effektiven Werten gegenüberstellt und auswertet, dann ensteht auch eine Lernkurve welche wiederum in neue Berechnungen und die zur Verfügung stehenden Parameter einfliessen kann. Es braucht also ein Modell, welches über den Lebenszyklus hinweg lernfähig ist und dessen Erkenntnisse wieder in die Planungsphase zurückfliessen. Hier werden mit künstlicher Intelligenz zukünftig ganz neue Möglichkeiten entstehen.
Sollten die Kernprozesse der Nutzenden durch die Planung nicht optimal unterstützt werden, sind Interventionen notwendig. Regelmässige Reviews der Pläne und des Raumbuchs sind dabei Voraussetzung. Wie stark bringt sich hier das Facility Management oder die Bauherrenvertretung ein?
Mehr als früher, aber nach wie vor zu wenig. Einige Unternehmen zum Beispiel im Bereich GU/TU oder auch Bauherrenvertreter setzen aber genau auf diese Karte und beziehen bereits in der Planungsphase fremde oder eigene FM-Spezialisten mit ein um den Lebenszyklus der Immobilie beurteilen und kalkulieren und den Bauherrn optimal beraten zu können. Wer diese Fähigkeit entwickelt und professionalisiert, bietet seinem Kunden aktuell noch einen grosses, einzigartigen Mehrwert und kann sich gegenüber Mitbewerbern differenzieren.
Das setzt voraus, dass das Facility Management als Nutzervertreter bereits in einer frühen Planungsphase das Building Information Modeling BIM praktiziert und quasi eine Kontrollfunktion ausübt. Tut es das?
Sofern das Facility Management tatsächlich frühzeitig mit eingebunden wird, nimmt es diese Aufgabe auch tatsächlich war, ja. Entscheidend ist das Bewusstsein für die Wichtigkeit dieser Rolle auf Seiten der Planer sowie der General- und Totalunternehmer. Gerade im Bereich BIM fehlen aber noch einheitliche Standards, welche sich in den nächsten Jahren aber augrund von praktischen Erfahrungen etablieren werden. Viele Unternehmen sammeln aktuell erste Erfahrungen und werden aus diesen Erfahrungen sukzessive lernen.
Interview: Remi Buchschacher
Raphael Kohler ist CEO der Axept Business Software AG. Mit den Tools PROVIS (Bauprojektmanagement), AXbau (Ausführung z.B. durch Bauunternehmen), AXimmo (Bewirtschaftung) und smino (Kollaborationsplattform) unterstützt Axept den kompletten Prozess fürs Bau- und Immobilienmanagement.