Annäherung an die Normalität

Das anhaltende Niedrigzinsumfeld stützt weiterhin Immobilieninvestitionen, schreibt Brice Hoffer von der UBS im neusten Real Estate Outlook. Schweizer direkte Immoblienanlagen bleiben sehr attraktiv für Anleger.
Anhaltende Negativzinsen schaffen ein sehr anspruchsvolles Anlageumfeld für Investoren. Vor diesem Hintergrund bleiben Schweizer direkte Immoblienanlagen sehr attraktiv für Anleger, die nach Alternativen zu negativen Geldmarktrenditen und gedämpften Renditeniveaus auf dem Anleihemarkt suchen. Dieses starke Anlegerinteresse führte zuletzt zu einer Beschleunigung der Anfangsrenditenkompression in den «Prime»-Sektoren des Schweizer Immobilienmarktes. Nach Daten von Wüest Partner war das Momentum im Mehrfamilienhaussektor besonders stark, mit einem Rückgang um 18 Basispunkte in der ersten Jahreshälfte 2021. Überraschenderweise verzeichneten Spitzen-Büroimmobilien ebenfalls eine sehr starke Anlegernachfrage, mit einem Rückgang um 33 Basispunkte trotz pandemiebezogener Unsicherheiten. Die Nettoanfangsrenditen sanken auch bei erstklassigen Einzelhandelsimmobilien, allerdings nur um 10 Basispunkte.
Trotz steigender Transaktionspreise und rückläufiger Anfangsrenditen bieten direkte Immobilienanlagen weiterhin eine substanzielle Risikoprämie. Ende des zweiten Quartals 2021 lag die Differenz zwischen der Nettoanfangsrendite beim Erwerb einer erstklassigen Immobilie und der Rendite 10-jähriger Bundesobligationen bei 1,9%. Dieser Wert bewegt sich immer noch leicht über dem historischen Durchschnitt (1,7%). Da das Niedrigzinsumfeld fortbestehen dürfte, erwarten wir, dass der Markt für Immobilientransaktionen in den kommenden Quartalen sehr kompetitiv bleiben wird.
Erhöhte Dynamik auch bei indirekten Anlagen
Die Marktdaten für indirekte Anlagen unterstreichen ebenfalls das Interesse der Investoren an Schweizer Immobilienanlagen. Laut Safra Sarasin ist der indirekte Markt 2021 so dynamisch wie noch nie in den letzten vier Geschäftsjahren, mit Kapitalmarkttransaktionen (sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalaufnahme) in Höhe von über drei Milliarden Schweizer Franken, die in diesem Sektor gemeldet wurden (Stand Ende August 2021). Die Preisdynamik am Markt für börsennotierte Fonds bleibt sehr stark. Das durchschnittliche Agio im Gesamtmarkt erreichte am 31. August 2021 rund 42% des NAV. Der Wohnimmobiliensektor setzte seinen positiven Trend in der ersten Jahreshälfte 2021 fort, mit einem Anstieg des durchschnittlichen Preisindex im Jahresvergleich von 14,8% im ersten und 17,9% im zweiten Quartal. Dies deutet darauf hin, dass die Investoren im aktuellen Umfeld weiterhin die Ertragsstabilität von Mehrfamilienhäusern schätzen.
Aber auch im kommerziellen Sektor setzte eine Erholung ein, sobald sich die Pandemielage zu bessern begann. Der Sektor verzeichnete in der ersten Jahreshälfte starke Kursindexrenditen mit einem Anstieg von 7,1% im ersten und 14,3% im zweiten Quartal 2021. Kommerzielle Produkte dürften in den kommenden Monaten weiter aufholen, zumal sie von den Basiseffekten des durch den COVID-19-Ausbruch ausgelösten starken Rückgangs 2020 profitieren.
Auf dem Weg zur Stabilisierung
Der Schweizer Mietwohnungsmarkt entwickelt sich in Richtung Stabilisierung. Auf der Nachfrageseite betrug der Wanderungssaldo im ersten Halbjahr 2021 rund 26 000 Personen. Damit ist die Wanderungsdynamik auf dem besten Weg, bis zum Ende des laufenden Jahres ein ähnliches Niveau wie im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2020 zu erreichen (das heisst rund 55 000 Personen netto). Auf der Angebotsseite setzt sich die graduelle Verlangsamung der Planungstätigkeit fort.
Dank einer ruhigeren Bautätigkeit sowie einer durch die Pandemie getriebenen Zusatznachfrage (z.B. für Zweitwohnungen) hat die Leerwohnungsziffer 2021 zum ersten Mal seit zwölf Jahren am Schweizer Wohnungsmarkt abgenommen. Allerdings hat sich das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Schweizer Mehrfamilienhausmarkt noch nicht ganz ausgeglichen, und die Angebotsmieten bleiben nach Daten von Wüest Partner weithin unter Druck. Wir beobachten jedoch, dass sich das Mietniveau in institutionellen Wohnportfolios aufgrund der überdurchschnittlich guten Lage dieser Objekte und der Qualität des investierten Bestands tendenziell stabiler entwickelt.
Noch keine klaren Folgen von COVID-19
Jüngste Marktdaten deuten darauf hin, dass der Schweizer Büroimmobilienmarkt weiter robust bleibt. Laut JLL ist die Verfügbarkeitsrate von Büroflächen in den Märkten Zürich und Genf im zweiten Quartal 2021 leicht zurückgegangen, nachdem sie in den ersten Quartalen des Pandemieschocks etwas angestiegen war. Gleichzeitig meldet Wüest Partner stabile Trends bei den Angebotsmieten in den meisten lokalen Märkten. Die langfristigen Folgen der häufigeren Heimarbeit für die Struktur der Büronachfrage sind bislang noch nicht zu erkennen. Aktuell zeigt der Schweizer Büroimmobilienmarkt weiterhin seine Robustheit, und zwar aus Sicht des Nutzer- wie des Anlagemarktes.
Etwas Licht am Ende des Tunnels
Nachdem die wiederholten Lockdowns viele Offline-Anbieter wirtschaftlich stark belastet haben, weckt der Verlauf der Impfkampagne Hoffnungen auf eine nachhaltige Erholung des Schweizer Detailhandelsmarktes. Jüngste Daten von Monitoring Consumption Switzerland bestätigen eine spürbare Rückkehr des Offline-Shoppings im ersten Halbjahr 2021. Trotz dieser positiven laufenden Entwicklung dürften negative strukturelle Trends wie die langfristige Ausbreitung des E-Commerce und des Einkaufstourismus auch in den kommenden Jahren die Erträge der Mieter von Einzelhandelsflächen belasten.
Performance-Ausblick bleibt robust
Starke Fundamentaldaten des Mietmarktes während der Pandemie sowie positive Aussichten für die Aktivitäten am Transaktionsmarkt haben gegenüber unserer letzten Veröffentlichung im März zu einer leichten Aufwärtskorrektur der Prognose für die Fünf-Jahres-Gesamtrenditen geführt. Investitionen in kommerzielle Sektoren dürften robuster bleiben als erwartet, insbesondere im Hinblick auf die Anlegernachfrage und die Kompression der Transaktionsrenditen. Wir gehen nun davon aus, dass eine gemischte Direktallokation am Schweizer Immobilienmarkt über den Drei-Jahres-Zeitraum von 2021 bis 2023 ohne den Einsatz von Fremdfinanzierung eine jährliche Gesamtrendite von 4,5% erzielen wird. Für den Fünf-Jahres-Zeitraum von 2021 bis 2025 liegt unsere prognostizierte durchschnittliche Gesamtrendite bei 4,1% p.a.
Positive Sicht auf Anlagen in Mehrfamilienhäuser
Anleger sind gegenüber dem Mehrfamilienhaussektor sehr positiv gestimmt, da seine stabile, ertragsorientierte Performance in einem weiterhin unsicheren Umfeld besonders gefragt ist. Wir glauben, dass sich dieser Trend auch in den kommenden Quartalen fortsetzen und zu einer positiven Entwicklung des Sektors in der Zukunft beitragen wird. Wir prognostizieren eine durchschnittliche Gesamtrendite von 5,3% über die nächsten drei Geschäftsjahre von 2021 bis 2023. Ein wichtiger Performance-Treiber dürfte dabei das Kapitalwertwachstum sein, hervorgerufen durch eine weitere Kompression der Diskontierungssätze. Dagegen bleiben die Aussichten für das Mietwachstum auf kurze Sicht eher gedämpft.
Erwartete Robustheit, aber mit Abwärtsrisiken
Der Bürosektor hat sich während der gesamten Pandemie als robust erwiesen, und zwar aus Sicht des Nutzer- wie auch des Anlagemarktes. Dennoch erwarten wir, dass die langfristigen Folgen des Home-Office-Trends und das Niveau der Bautätigkeit die Fundamentaldaten des Marktes in den kommenden Jahren belasten werden. Infolgedessen dürften die Kompression der Anfangsrenditen und das Wachstum der Marktmieten in naher Zukunft zum Stillstand kommen, wobei sich die Teilsektoren des Büromarktes stark unterschiedlich entwickeln düften. Im Durchschnitt erwarten wir für den Gesamtmarkt eine jährliche Gesamtrendite von 3,7% p. a. im Zeitraum von 2021 bis 2023.
Verkaufsflächen: Weiterhin Schlusslicht im Ranking
Ungeachtet der laufenden Erholung des Schweizer Einzelhandels dürften nachteilige langfristige Trends wie E-Commerce und Einkaufstourismus die Mieternachfrage am Einzelhandelsimmobilienmarkt auch künftig belasten. Dies sollte sich in den nächsten Jahren negativ auf Mietwachstumsaussichten und die Anlegerstimmung auswirken und erklärt die Position, die Einzelhandelsimmobilienanlagen in unserem Ranking der prognostizierten Gesamtperformance einnehmen. Wir erwarten, dass die durchschnittliche Allokation im Schweizer Einzelhandelsimmobiliensektor über den Drei-Jahres-Horizont von 2021 bis 2023 eine jährliche Gesamtrendite von 3,6% erzielen wird.