Was die Branche braucht, ist die transparente und nachvollziehbare Darstellung wichtiger Kriterien zwecks Beurteilung der Nachhaltigkeit von Immobilieninvestitionen, schreibt Dieter Bullinger*.
Im Brundtland-Bericht definierten die Vereinten Nationen 1987, eine Entwicklung sei nachhaltig, die «die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.» Die 17 «Ziele für nachhaltige Entwicklung» (Sustainable Development Goals, SDG) der UN von 2015 zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene weltweit differenzieren dies weiter aus.
Inzwischen gehört es zum guten Ton und erfüllt rechtliche Verpflichtungen, wenn Unternehmen in ihren Geschäftsberichten auch über ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit informieren. Und nicht nur aus Marketinggründen wird auch in Anlegerkreisen verstärkt auf nachhaltige Investments geachtet – auch bei Immobilieninvestoren. Nun ist Nachhaltigkeit bei Immobilien so eine Sache. Sofern beim Bau nicht gepfuscht wurde und nicht gerade ein Erdbeben oder ein Murenabgang dazwischenkommt, halten Gebäude meist recht lange. Das ist schon mal gut. Und wenn sie dann noch gut gedämmt sind, verbrauchen sie hierzulande relativ wenig (fossile) Energie und blasen wenig Schadstoffe in die Luft. Auch gut.
Im Moment noch intrasparent
Was aber zeichnet «sustainable real estate» sonst noch aus? Da wird es schwierig und teilweise doch eher intransparent. So gibt es zum Beispiel einen über eine Milliarde Franken schweren Fonds in der Schweiz, der als Nachhaltigkeits-Kriterium für die Auswahl seiner Immobilien angibt, dass sie nicht weiter als einen Kilometer von einem Bahnhof entfernt sind. Unter verkehrlich-ökologischen Aspekten durchaus gut so. Und dass die Liegenschaften «beim Kauf die internen Standards bezüglich Nachhaltigkeit und Energieeffizienz erfüllen» müssen. Welche Standards das sind, ist allerdings weder der Homepage noch den gedruckten Unterlagen des Fonds zu entnehmen. Der neugierige Anleger kann lediglich nachlesen, dass die Energieeffizienz der Immobilien nach spätestens fünf bis sieben Jahren so gesteigert werden soll, dass mindestens die Kategorie C des Gebäudeenergieausweises der Kantone erreicht werde. Wars das schon? Nein, denn mit der einnahmenwirksamen Vermietung einer Dachfläche an einen Photovoltaikanlagen-Betreiber in einer Liegenschaft werde auch der ökonomischen Nachhaltigkeit gedient. Und mit der Erneuerung von Küchen und Badzimmern seien soziale Nachhaltigkeitsaspekte miteinbezogen worden. So kann man das auch sehen.
Was die Branche braucht, ist die transparente und nachvollziehbare Darstellung weiterer Kriterien zwecks Beurteilung der Nachhaltigkeit von Immobilieninvestitionen. Um nur einige Aspekte zu nennen: wie umweltfreundlich, das heisst mit welchen Materialien das Gebäude errichtet wurde und inwiefern sie recyclierbar sind, wie effizient die Ressource Wasser innerhalb der Immobilie genutzt wird, wie die Akustik und Luftqualität in den Räumen ist, wie barrierefrei und kinderfreundlich die Anlage konzipiert wurde, wie flexibel das Objekt an veränderte Nutzerbedürfnisse angepasst werden kann, in welchem Zustand sich Standort und Quartier zeigen. Und so weiter. Da helfen die Kriterienkataloge der diversen Immobilien-Nachhaltigkeitszertifikate in verschiedenen Ländern durchaus weiter. Und auch die manch anderer Immobilienfonds, die das «sustainable real estate» im Namen tragen.
Saubere Darstellung der Messmethoden
Neben transparenten Kriterien (was wird betrachtet und ggf. gemessen) bedarf es aber auch einer sauberen Darstellung der Messmethoden mitsamt nachvollziehbarer Operationalisierung und Gewichtung der einzelnen Kriterien (wie wird gemessen und das Ergebnis gewichtet). Vielleicht hilft dabei der neue Swiss Sustainable Real Estate Index SSREI. Eine neue Broschüre enthält dankenswerterweise eine recht umfassende Liste der einzelnen Kriterien/Indikatoren, aus denen sich ein Bild der Nachhaltigkeit bestehender Immobilien ergeben soll. Aus den ganzen Angaben aber soll dann laut Initiatoren durch Anwendung eines Portfoliobewertungstools, das sich an die Struktur und den Inhalt des SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz) anlehnt, ein Index entstehen, also sozusagen eine Schulnote, die ein einzelnes Objekt mit anderen vergleichbar macht und hinsichtlich seiner Güte und Qualität einstuft. Mehr Transparenz gibt es hierzu bislang allerdings noch nicht. Schade, denn wenn ich schon in nachhaltige Immobilien investieren will, dann vollumfänglich informiert und nicht nur auf der Grundlage des Vertrauens in eine nicht weiter spezifizierte Zusicherung des Fondsmanagements oder einen irgendwie zustande gekommenen Index. Ob damit dann den Nachhaltigkeitszielen der UN entsprochen wird, muss ich ohnehin immer noch selbst entscheiden.