Disruptive Immobilienplattformen, die sich in die Gefilde der traditionellen Immobilienmakler vordrängen, kommen fast im Wochentakt neu auf den Markt. Claude Ginesta, Vizepräsident der SVIT Maklerkammer, kritisiert die Werbeaussagen der neuen Akteure auf Kosten der traditionellen Vermittler stark.
Steigende Preise sorgen für steigende Provisionen bei Immobilienmaklern. Nun kommen neue Akteure auf den Markt, die für wenig Geld die gleiche Leistung anbieten. Wir es den klassischen Immobilienmakler bald nicht mehr geben?
Claude Ginesta: Da liegen Sie ganz falsch, falls Sie davon ausgehen, dass für weniger Geld die gleiche Leistung angeboten wird. Das geht doch ökonomisch gar nicht. Es würde zudem bedeuten, dass wir Makler Margen von 50-70 Prozent hätten. Die neuen Akteure verkaufen standardisierte, digitale Leistungen und substituieren vielleicht in Zukunft den heute unprofessionellen Selbstverkäufer.
Wo liegen die Unterschiede?
Es ist klar, dass die neuen Akteure – ich nenne sie absichtlich nicht «Makler» – in Bezug auf Leistung und Know-How Abstriche machen müssen. Wir haben zum Beispiel im Vergleich zu Neho festgestellt, dass allenfalls ein Mitarbeiter von 26 Mitarbeitern mit Verkaufsaufgaben über ein SVIT/USPI Diplom im Immobilienverkauf fügt. Wir haben bei praktisch gleich grosser Belegschaft 28 Immobiliendiplome – Treuhänder, Makler, Schätzer und Verwalter.
Was erwartet die Kunden?
Die Kunden, welche diese Billigakteure engagieren, müssen sich mit branchenfremden Quereinsteigern begnügen, welche den grössten Wert ihres Vermögens «betreuen». Sie vergleichen den Hamburger eines Fast Food Betriebs mit einem Hamburger in einem guten und geprüften Restaurant. Im Restaurant kocht ein Koch, bei Fast Food Betrieb vielleicht ein Student oder eine Maschine.
Provisionen seien ein alter Zopf und bei den aktuellen Immobilienpreisen nicht mehr gerechtfertigt, wird argumentiert.
Aktuell profitieren Makler und vor allem die Immobilienverkäufer von den steigenden Immobilienpreisen. Wir haben festgestellt, dass ein bestimmter Festpreisanbieter nur halb so lang auf dem Markt ist wie ein traditioneller Makler. Dies ist der Beweis: Nicht das Verkaufsergebnis und damit ein längerer strukturierter Verkaufsprozess zählt, sondern nur die Anzahl der schnellen Abschlüsse.
Wie machen es die traditionellen Makler?
Die traditionellen Makler sind durch den Prozentsatz animiert, möglichst ein hohes Verkaufsergebnis zu erzielen, da der Makler am Verkaufserfolg partizipiert. Inzwischen werden 50 Prozent aller Verträge mit dynamischer Provision abgeschlossen, das heisst die Makler haben ein Bonus-Malus-System entwickelt und die Verkäufer lassen den Makler am Verkaufserfolg teilhaben, beziehungsweise bestrafen ihn, falls dieser Erfolg nicht eintritt. Beim Festpreismodell verliert der Verkäufer viel mehr Geld als er vermeintlich einspart.
Das Angebot an zum Verkauf stehenden Immobilien ist knapp. Ist er Aufwand für die Vermittler an solche Objekte heran zu kommen, grösser geworden?
Es sind im Jahr 2020 je nach Region zwischen 20 – 40 Prozent weniger Liegenschaften auf den Marktplätzen publiziert worden. Dies hat damit zu tun, dass sich die Objekte besser «unter der Hand» verkaufen oder Makler die Objekte direkt an ihren Kundenstamm platzieren. Der Mismatch «viele Käufer versus wenige Objekte» ist aber keine Neuheit – und vor allem hat er nichts mit den neuen Akteuren zu tun.
Wie war es bei Ihnen?
Wir hatten das Glück – oder vielleicht war es doch etwas Können – dass wir dieses Jahr unser Akquisitionsvolumen nochmals sehr deutlich steigern konnten.
Maklerarbeit reduziert sich ja nicht nur auf das Verkaufen von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen. Makler werden auch bei Erstvermietungen bei Neubauprojekten eingesetzt. Haben hier die neuen Akteure überhaupt eine Chance?
Bisher sind die neuen Akteure noch nicht in dieses Marktumfeld von Vermietungen und Neubauten vorgedrungen. Insbesondere Neubauprojekte sind die Königsdisziplin im Immobilienverkauf. Hier kann man nicht mit Quereinsteigern, ehemaligen Eishockeyspielern, Maurern oder Hoteldirektoren Immobilienprojekte planen, aufsetzen und dann erfolgreich verkaufen.
Neue Portale bieten auch schnelle und günstige Bewertungen an. Ist das noch seriös?
Auch viele traditionelle Makler haben heute kostenlose Immobilienbewertungen auf ihren Homepages. Diese Bewertungen basieren auf jeweils ähnlichen oder gleichen Basisdaten, welche die Banken zur Verfügung stellen. In der Schweiz gibt es fünf Anbieter von hedonischen (Schnell-) Bewertungen. Für einen ersten Gradmesser ist eine solche Gratisbewertung nicht schlecht. Die Gratisbewertungen werden von vielen Anbietern und Marktplätzen jedoch als reiner Leadgenerator missbraucht.
Und wie macht es der Fachmann?
Für genaue Schätzungen benötigt es einen lokalen Fachmann, welcher den Markt kennt und vor Ort eine Beurteilung vornimmt. Im Gegensatz zu den neuen Akteuren und Leadportalen, bewerten klassische Makler die Liegenschaften mittels Realwert-, Substanzwert-, Ertragswert-, DCF-, Barwert- oder Lageklassenmethode. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Die neuen Bewerter im Netz argumentieren mit digitalisierten Abläufen, was Kosten spart. Haben die klassischen Immobilien-Makler die Digitalisierung zu wenig ernst genommen?
Die Digitalisierung ist ein grosses Thema und beschäftigt uns Makler allesamt. Wenn man hier nicht eine gewisse Unternehmensgrösse hat oder mit guten IT-Partnern zusammenarbeitet, kann es in Zukunft schwer werden. Wir Makler wissen im Gegensatz zu den neuen Playern, wie das Geschäft funktioniert. Nun müssen wir uns digitalisieren, dort wo es keinen menschlichen Nutzen gibt. Wir sind jedoch deutlich weiter digitalisiert, als man uns in der Werbung darstellt. Hier muss mal ein grosses «Stop»-Schild aufgehängt werden: Die jungen Anbieter versuchen sich auf Kosten der traditionellen Makler zu profilieren. In der Werbung wird zum Beispiel erwähnt, dass klassische Makler keine virtuellen Touren anbieten könnten oder nicht in der Lage seien, aktualisierte Kundendatenbanken aufzubauen. Das sind lächerliche Falschinformationen für den Laien. Es grenzt zudem an unlauteren Wettbewerb.
Die Ansage der neuen Akteure lautet: «Eure Zeit ist vorbei, wir wollen das verkrustete System aufbrechen». Wie verkrustet ist denn das System Makler?
Jeder disruptive Player behauptet, dass ein bestehendes System verkrustet und altgedient sei und sie mit ihren Ideen Innovationen bieten würden. Spannend ist, dass Fixpreismodelle in den meisten Teilen der Welt schon gescheitert sind. Beispielsweise hat Purplebricks in den USA oder auch in Australien eine kolossale Bruchlandung erfahren. Auch in der Schweiz gibt es bereits einige Fixpreismakler, welche «Fix nicht mehr am Markt sind». Andere Player versuchen aktuell den raschen Verkauf, weil das Geschäftsmodell nicht nachhaltig profitabel sein kann.
Können Sie Beispiele nennen?
In der Schweiz behauptet Neho, der «grösste Makler in der Schweiz» zu sein. Unabhängige Auswertungen der Maklerkammer haben gezeigt, dass Neho in der gesamten Deutschschweiz, also ohne Tessin und Romandie, in den Jahren 2019 und 2020 auf Marktplätzen einen Marktanteil von lediglich 0.4 Prozent am Inseratevolumen hatte. Das effektiv grösste Maklerunternehmen hatte in dieser Zeitperiode 4.1 Prozent Marktanteil und war daher über zehnmal grösser. Wenn man die Maklerkammer mit ihren rund 120 Mitgliedern als Netzwerk betrachtet und mit den grossen Franchiseunternehmen gleichsetzt, war die Maklerkammer mit einem Marktanteil von 6.3 Prozent sehr deutlich der grösste Akteur in der Branche. Einzig beim Werbebudget war Neho vielleicht Marktführer. Doch der Wahrheitsgehalt wird nicht besser, wenn man Diffamierungen und Falschinformationen an die Adresse der Makler immer wieder publiziert.
Interview: Remi Buchschacher