Ist von nachhaltigen Gebäuden die Rede, so wird das Augenmerk primär auf die durch den Betrieb verursachten Treibhausgasemissionen gerichtet. Das ist nachvollziehbar, denn der hiesige Gebäudebestand trägt 30 Prozent zur Schweizer CO2-Bilanz bei.

Mit der «Energiestrategie 2050» hat sich der Bundesrat zum Ziel gesetzt, die inländische Produktion erneuerbarer Energien bis 2050 stark auszubauen, die Energieeffizienz zu verbessern und den Einsatz fossiler Energien weitestgehend zu minimieren beziehungsweise durch Elektrizität sowie strombasierte Energieträger wie Wasserstoff zu ersetzen. Letztlich geht es darum, «Netto Null» das heisst Klimaneutralität zu erreichen.

Ob es gelingen wird, diese Ziele in der gesetzten Frist vollumfänglich umzusetzen, ist unter Fachleuten umstritten. Die Herausforderungen sind immens:

  • Ausstieg aus der Atomkraft und gleichzeitig Strom als wesentliche Energiequelle etablieren
  • Starker Widerstand gegen Windenergie und Wasserkraft von Seiten Natur- und Landschaftsschutz
  • Enormer Bedarf an Photovoltaik, verbunden mit der ungelösten, direkten Speicherung von Sonnenenergie im grossen Stil

Doch unabhängig von dieser Diskussion: Die Definition eines nachhaltigen Gebäudes auf den Betriebsenergieverbrauch zu reduzieren, greift zu kurz. Nachhaltigkeit ist nicht nur Energie und Energie ist nicht nur Betriebsenergie.

Vielfältige Beiträge zum Energieverbrauch

Tatsächlich trägt ein Gebäude vielfältig indirekt zum Energieverbrauch und den CO2-Emissionen bei: mit seiner Lage und dem damit verbundenen Verkehrsaufkommen, mit seinem Flächenbedarf pro Bewohner (Nutzungsdichte), mit dem verbauten Material (inklusive Versiegelung) und der damit verbundenen grauen Energie, mit seiner Grundstruktur und dem Beitrag zur Verdichtung, sowie schliesslich und massgeblich mit der städtebaulichen und architektonischen Qualität, welche die Langlebigkeit per se bestimmt. So trägt der Verkehr beziehungsweise die Baustoff-Herstellung mit über 30 Prozent respektive rund 10 Prozent wesentlich zu den globalen CO2-Emissionen bei. Folglich kann eine allzu starke Fokussierung auf die Betriebsenergie und das Ausklammern beispielsweise der grauen Energie zu Fehlentscheiden führen, nämlich: Ersatzneubau anstelle gezielter Sanierung.

Leerstände, ein Übel

Eine weitere Thematik sind die Leerstände, ein Übel, nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Leerstehende Gebäude binden graue Energie und müssen stets minimal beheizt werden. Leerstand zu verhindern, bedingt vermehrt auf flexible, hybride Strukturen zu setzen. Zudem sind auch die Lebenszykluskosten in betriebswirtschaftlicher als auch ökologischer Hinsicht ein wichtiger Aspekt. Sie werden mitunter durch die Zugänglichkeit und Instandhaltung von HLK-Anlagen (Heizung, Lüftung, Klimatechnik), den Einsatz von robusten und einfach reinigbaren Materialien und durchdachte Betriebskonzepte beeinflusst.

Ein ganzheitlicher Anforderungskatalog für nachhaltige Gebäude beinhaltet somit eine Vielzahl an Kriterien, welche weit über die Betriebsenergie hinausgehen – wobei auf Nutzerbedürfnisse, Biodiversität etc. oben noch gar nicht eingegangen wurde. Kurz: Das Thema «Nachhaltige Gebäude» ist komplex und vielschichtig, aber nicht zwingend kompliziert. Es braucht nur das richtige Werkzeug, welches dem Eigentümer ermöglicht, seine Gebäude umfassend zu bewerten und daraus die richtige Sanierungsstrategie für sein Portfolio abzuleiten.

Leicht vertändliche Anforderungen

Mit dem Swiss Sustainable Real Estate Index (SSREI) steht erstmals ein solches Instrument zur Verfügung. Ein Ansatz, der den unterschiedlichen Anforderungen an nachhaltige Bauten gezielt Rechnung trägt und eine fortlaufende Verifizierung durch die SGS Société Générale de Surveillance erfährt. SSREI ist so konzipiert, dass die inhaltlichen Anforderungen leicht verständlich sind, und viele Nachweise, welche für die Verifizierung vorliegen müssen, sich dank digitaler Lösungen (einfaches digitalisieren von Grundrissen, Bewertung der Nutzungsdichte, Bewertung des Nutzungsangebotes, Hindernisfreiheit, Nutzungsfelxibilität, Gebrauchsqualität, Tageslicht, Behaglichkeit, Erreichbarkeit und Zugang zu Parzelle/Gebäude) einfach herstellen lassen. Die Hürde bei SSREI mitzumachen, soll klein sein, denn der SSREI wurde mit dem Ziel lanciert, das Nachhaltigkeitsprofil von Schweizer Bestandsimmobilien abzubilden, eine entsprechende Bewertung zu vereinheitlichen, die diesbezügliche Transparenz und Vergleichbarkeit zu ermöglichen und dem Markt einen wichtigen Benchmark zur Verfügung zu stellen.

* Roland Vögele ist CEO bei MV Invest, einer auf indirekte Immobilienanlagen spezialisierten Beratungsgesellschaft und Initiatorin des SSREI; Elvira Bieri ist Managing Director bei der SGS Société Générale de Surveillance SA mit Hauptsitz in Genf, die zu den weltweit grössten und anerkanntesten Inspektions­ und Zertifizierungsgesellschaften gehört.