Die erzielten Renditen haben davon profitiert, dass im vergangenen Jahrzehnt die Zinsen stärker zurückgegangen sind als die Anfangsrenditen. Durch eine höhere Fremdfinanzierung könnte dieser Effekt noch stärker kapitalisiert werden, doch mit einer Erhöhung des Fremdkapitalanteils steigt auch das Risiko, sagt Professor Pascal Gantenbein von der Universität Basel.

Auf dem Transaktionsmarkt sind die Anfangsrenditen über die letzten Jahre massiv geschrumpft. Wie lässt sich durch geeigneten Fremdkapitaleinsatz ein positiver Leverage-Effekt erreichen? 

Prof. Pascal Gantenbein: Die Nettoanfangsrenditen bilden sich schon seit dem Jahr 2000 zurück, seit der Aufwärtstrend bei den Immobilienpreisen eingesetzt hat. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die Differenz zwischen den Nettoanfangsrenditen und den Bondrenditen zwischen 2009 und 2020 gegenüber dem langjährigen Durchschnitt trotzdem sogar noch grösser geworden ist. Seit einigen Monaten ist zwar eine Verengung dieser Marge bei Wohnimmobilien zu beobachten, da die Anfangsrenditen weiter nachgegeben haben, die Zinsen jedoch kaum mehr. Im aktuellen Marktumfeld sind die Finanzierungskonditionen beim Fremdkapital aber immer noch günstig, die Zinsen liegen nach wie vor deutlich unter den Immobilien-Anfangsrenditen.

Die Analyse der Immobilienfonds und –Aktiengesellschaften zeigt es deutlich: Immobiliengefässe mit mehr Fremdfinanzierung wiesen höhere Eigenkapitalrenditen auf. Warum wird der Einsatz von Fremdkapital in diesem günstigen Zinsumfeld nicht dynamischer eingesetzt?  

Die erzielten Renditen haben insgesamt stark davon profitiert, dass im vergangenen Jahrzehnt die Zinsen stärker zurückgegangen sind als die Anfangsrenditen. Natürlich konnte dieser Effekt stärker kapitalisiert werden durch jene Immobiliengefässe, die höher fremdfinanziert waren. Hinzu kamen die Aufwertungen auf dem Immobilienbestand. Ein weiterer Rückgang der Zinsen wird indessen derzeit am Markt als wenig wahrscheinlich eingeschätzt. Die erzielten Renditen können somit rein finanzierungstechnisch nur gehalten werden durch den Einsatz höherer Verschuldungsquoten. Mit einer Erhöhung des Leverages nehmen aber bekanntlich nicht nur die Aussichten auf höhere Eigenkapitalrenditen zu, sondern auch die Risiken. Und Zinsanstiege können in Zukunft nicht ausgeschlossen werden, selbiges gilt für einen möglichen Rückgang der periodischen Rendite aus der Vermietung.

Nehmen die Asset Manager bereits heute eine Zinserhöhung vorweg?

Es ist auf jeden Fall vernünftig, die Risiken im Griff zu haben.

Interessant erscheint die Tatsache, dass insbesondere grössere Anlagegruppen in den letzten Jahren eine hohe Eigenkapitalrendite erzielen konnten, obwohl mit vergleichsweise wenig Fremdkapital gearbeitet wurde. Wie kommt das zustande?

Verschiedene grössere Akteure haben in den letzten Jahren im operativen Geschäft gut gearbeitet, ihr Immobilienmanagement professionalisiert, Prozesse optimiert sowie Portfolien bereinigt und konsolidiert. Die Expertise in den relevanten Bereichen lässt sich so effizient über die Anlagegruppen nutzen. Zudem werden Investitionsaktivitäten heute konsequent an den Bedürfnissen der Nachfrager ausgerichtet. Damit verbunden sind geringere Leerstände und höhere Anlagerenditen. Hinzu kommen Aufwertungen auf den Portfolien sowie Gewinne aus dem Verkauf zum Beispiel von Stockwerkeigentumseinheiten.

Interessant ist auch die Entwicklung des Anteils von kurzfristigen Verbindlichkeiten unter einem Jahr, welcher bei einigen Immobilienfonds mittlerweile einen substantiellen Anteil der Fremdfinanzierung ausmacht. Worauf ist dies zurückzuführen?

Sowohl bezogen auf die Anlageportfolien wie auf die Gesamtvolumina der Fremdfinanzierung sind das im Allgemeinen relativ kleine Positionen. Es trifft aber zu, dass zuweilen zusätzlich kurzfristige Kredite aufgenommen wurden und der Anstieg der kurzfristigen Finanzierung nicht alleine auf das Auslaufen länger laufender Kreditfinanzierungen zurückzuführen ist. Hierfür gibt es sowohl finanzielle wie operative Gründe. Zum einen ergeben sich aus den aktuellen Finanzierungskonditionen Opportunitäten, auch wenn diese eher marginal sind. So sind die Zinsen auf den im Jahr 2020 aufgenommenen Positionen zumeist etwas tiefer als auf dem Rest des Finanzierungsportefeuilles. Vor allem aber werden solche kurzfristigen Finanzierungen als Zwischenfinanzierung bis zu einer nächsten Kapitalerhöhung eingesetzt. Hinzu kommt zum Teil auch ein eher kurzfristiger Mittelbedarf etwa für die Realisierung von Sanierungen.

Verschiedene Fonds und Aktiengesellschaften führten im letzten Jahr mit Kapitalerhöhungen oder Anleihen das Fremdkapital herunter. Doch dieses wäre ja zur Zeit günstig einsetzbar. Ist dies aus Sicht des Aktionärs noch attraktiv?

Das Spektrum an durchgeführten oder geplanten Finanzierungsmassnahmen seitens der Immobilienfonds und Immobiliengesellschaften ist durchaus divers. Es gibt Akteure, die sich über eine Anleiheemission Fremdkapital beschafft haben, welches mitunter der Ablösung bestehender Verbindlichkeiten diente. Durch die Refinanzierung können somit günstige Finanzierungskonditionen genutzt werden, selbst wenn sich der Fremdkapitalanteil insgesamt kaum erhöht. Andere Akteure haben Kapitalerhöhungen durchgeführt oder planen solche im Hinblick auf zukünftiges Wachstum. Auch dies schliesst den parallelen Einsatz von Fremdkapital nicht aus. Die Opportunitäten der gegenwärtigen Marktsituation werden also durchaus genutzt, sowohl für finanzielle Optimierungen als auch aus strategischer Sicht.

Bei den Immobiliengesellschaften
beträgt die durchschnittliche Eigenkapitalrendite 2020 laut dem Monitoring von Schroders 6,5 Prozent, bei den Immobilienfonds 4,8 Prozent. Die Gründe für die höhere Eigenkapitalrendite bei den Aktiengesellschaften liegen zum Teil beim deutlichen höheren Fremdkapitalanteil gegenüber den Fonds. Spricht das für die These einer erhöhten Fremdfinanzierung?

Schweizer Immobiliengesellschaften und Immobilienfonds weisen verschiedene Unterschiede auf und zeigen daher auch eine andere Anlagecharakteristik. Die insgesamt stärkere Fremdfinanzierung bei den Immobiliengesellschaften ist nur ein Aspekt. Deren Geschäftsmodell ist überdies durch eine tendenziell aktivere Gestaltung und Bewirtschaftung des Portfolios, durch Kauf- und Verkaufsaktivitäten sowie durch eine auch heute noch im Schnitt stärkere Ausrichtung der Portfolien auf kommerzielle Liegenschaften geprägt. Dies erklärt die Unterschiede in der Rentabilität. Für die Anlegerschaft zusätzlich wichtig sind die Bewertungsniveaus der Titel, welche bei Immobilienfonds höher sind, was sich auch in den Agios und den Anlagerenditen widerspiegelt. Dagegen zeigt das Kursverhalten von Immobiliengesellschaften, dass diese vom Anlagestil her näher bei den Aktien liegen als die Immobilienfonds.

Immobilienfonds dürfen nicht mehr als ein Drittel der Verkehrswerte fremdfinanzieren, Aktiengesellschaften hingegen unterliegen keiner gesetzlichen Obergrenze. Ist diese Beschränkung für die Fonds noch zeitgemäss?

Die Meinungen hierzu gehen auseinander. Aber der Markt gibt eine klare Antwort. Die Bewertungen von Immobilienfonds sind Evidenz dafür, dass dieses Anlagesegment nachgefragt wird. Tatsache ist auch, dass Immobilienfonds schon unter dem früheren Anlagefondsgesetz mit dem Fokus auf Sicherheit reguliert wurden, was sich sowohl in der Anlage- wie in der Finanzierungspolitik niedergeschlagen hat. Historisch wie vor diesem rechtlichen Hintergrund hat sich damit ein Anlagesegment herausgebildet, welches, wie wir sehen, nach wie vor zeitgemäss ist und mit einem spezifischen Profil eine Klientel bedient, welche zum einen die Sicherheit sucht und zum anderen aus regulatorischen Gründen gar kein Interesse hat an höher geleveragten Anlagegefässen. Und für alternative Strategien und Finanzierungen bietet das KAG die Möglichkeit mittels anderer Rechtsformen.

Mit einer Erhöhung des Fremdkapitalanteils steigt also auch das Risiko. Vor allem bei höherem Fremdkapitalanteil fehlt je nach Marktsituation die nötige Flexibilität, um schnell auf Änderungen am Immobilienmarkt agieren zu können. Wie wichtig ist dieses Argument?

Die Akteure haben in der Immobilienkrise der neunziger Jahre, in der Finanzkrise von 2008 und jüngst auch in der Covid-Krise gelernt, wie wichtig ein solides Polster mit Eigenkapital ist.

Der Zinsunterschied zwischen den Nettorenditen bei bestehenden Portfolien und einer langfristigen Hypothekarfinanzierung ist mit über 2 Prozent weiterhin sehr attraktiv. Wird das so bleiben?

Prognosen sind bekanntlich schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Die Konditionen an den Finanzmärkten zeigen aber an, dass aktuell keine schnellen Veränderungen erwartet werden und dass die inflationären Tendenzen aufgrund ihrer Ursachen primär vorübergehender Natur sein dürften. Allerdings lehrt die Vergangenheit auch, dass wenn sich alle einig sind, höchste Vorsicht geboten ist. Die Zinsen sind immer dann gestiegen, wenn nur Wenige es erwartet haben. Zudem ist klar, dass auch wenn die Zinsen länger auf dem heutigen Niveau verharren sollten, sich der Renditeunterschied bei anhaltenden Preissteigerungen an den Immobilienmärkten weiter zurückbilden wird.

Interview: Remi Buchschacher

Pascal Gantenbein ist Professor für Finanzmnagement an der Universiät Basel.