Nachhaltigkeitskriterien werden bei der Beurteilung und Bewertung von Immobilien immer wichtiger. Für Urs Fäs, Head of Investment Products im UBS Fund Management, sind diese unabdingbar, um die Nachhaltigkeit von Objekten überhaupt sicht- und vergleichbar zu machen.

Bei der Berichterstattung der Fonds und Gesellschaften fällt auf, dass sich das Hauptaugenmerk auf renditeorientierte Finanzkennzahlen richtet, welche aber anspruchsvollen institutionellen Investoren je länger je weniger genügen. Wie wichtig sind in Zukunft die Nachhaltigkeitskennzahlen?

Urs Fäs: Angaben zu Themen wie Umwelt, Gesellschaft und Governance finden sich bereits heute in den Berichterstattungen von Immobiliengesellschaften und -fonds. Bemerkenswert ist, dass die zumeist qualitativen Beschreibungen vermehrt mit quantitativen Angaben wie Kennzahlen und graphischen Darstellungen ergänzt und präzisiert werden. Es ist davon auszugehen, dass sich dies noch deutlich weiterentwickeln und in zusätzliche ausführliche Berichterstattungen münden wird.

Wie lassen sich die Kennzahlen vergleichen?

Um Vergleichbarkeit herzustellen, gewinnt die Standardisierung von Berechnungsmethoden an Bedeutung. Die Aussagekraft von Nachhaltigkeitskennzahlen ist aktuell noch stark von der Verfügbarkeit und Qualität der zugrundeliegenden Daten beeinträchtigt.

Wie weisen Sie im UBS-Fondsmanagement die Zahlen aus?

Als einer der grössten institutionellen Anleger legen wir unsere Daten seit 2017 jedes Jahr in einem umfassenden Nachhaltigkeitsbericht offen, der die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) erfüllt. Die Bedürfnisse und Trends am Markt gehen immer mehr dahin, Nachhaltigkeitskennzahlen in die traditionelle Berichterstattung zu integrieren, sodass wir fondsspezifische Nachhaltigkeitsdaten seit Längerem in deren Geschäftsberichten ausweisen.

Wie gehen Sie bei der Erhebung dieser Zahlen vor?

Die Qualität, Korrektheit, Einheitlichkeit sowie Robustheit der Prozesse spielen bei der Datenerhebung eine zentrale Rolle. Entsprechend liegt unser Augenmerk auf einer sauberen Datenerhebung, zum Beispiel zum Energiehaushalt, Wasserverbrauch, zur Stromproduktion unserer PV-Anlagen, aber auch zu sozialen Themen wie zum Beispiel Mieterzufriedenheit, die einer stringenten Kontrolle unterliegt. Für die Auswertung und Analyse der Daten nutzen wir ein Management Information System (MIS). Viele der geforderten Daten sind allerdings auch heute noch erst analog verfügbar – wie beispielsweise Stromrechnungen von diversen Elektrizitätswerken oder Nebenkosten – oder sind teilweise erstmalig zu erfassen und digital verfügbar zu machen. All dies ist für uns und unsere Partner – wie Liegenschaftsbewirtschafter, Energie-Treuhänder und andere – sehr aufwändig und herausfordernd.

Die Anbieter von Immobilienanlagegefässen wählen meistens individuelle ESG-Ziele. Diese erschweren oder verunmöglichen aber die Vergleichbarkeit der einzelnen Produkte. Sollte von allen Anbietern eine einheitliche Berechnung gefordert werden?

Ja. Einheitliche und verbindliche Berechnungsdefinitionen sind eine wichtige Voraussetzung für den zunehmenden Wunsch nach Transparenz, Vergleichbarkeit – und auch Verbindlichkeit. Allerdings gibt es unter den Marktteilnehmern sehr unterschiedliche Ausrichtungen. So orientieren sich grosse Immobilienbesitzer wie zum Beispiel die kotierten Immobiliengesellschaften ausgeprägt an internationalen Standards.

Wie könnte die Vergleichbarkeit verbessert werden?

ESG-Ziele sind oft ähnlich, die Berechnung – zum Beispiel von CO2-Emissionen – ist jedoch unterschiedlich und so auch schwer zu vergleichen. Mit der EU- Regulierung sehen wir nun eine Vielzahl an Indikatoren, die als Standard definiert werden und einheitlich offengelegt werden müssen. Nur so kann dann ein Fonds auch als nachhaltig deklariert werden. Es ist davon auszugehen, dass diese Vorlage einen Marktstandard definiert, Vergleichbarkeit so aber leider auch nicht vollumfänglich gewährleistet sein wird.

Verschiedene Studien zeigen, dass die Klimaziele 2050 im Bereich Gebäude trotz der aktuellen Verbesserungsquote in der Schweiz kaum erreicht werden können. Was kann die Immobilienwirtschaft tun, auch während der Corona-Krise?

Die Erreichung der Klimaziele 2050 wird im Gebäudebereich zwar sehr herausfordernd und schwer werden, ist aber nicht unmöglich. Die ‘Gebäude’ haben in der Schweiz in den letzten Jahren bereits am meisten CO2-Emissionen eingespart – im Vergleich zu Mobilität oder Industrie.

Ich höre trotzdem (noch) zu viele Leute, die argumentieren, warum es nicht geht. Die gesamte Immobilienbranche ist hier gefordert. Die nötigen Technologien dazu existieren und allein der Ersatz von fossilen Heizsystemen hat einen enormen Hebel. Es gibt im Sanierungs- und auch Baubereich wenige Ausnahmen, wo es keine nachhaltigen Alternativen gibt, aber eine frühzeitige Planung ist sehr wichtig.

Mit den Studien zur 2000-Watt-Gesellschaft und den Empfehlungen von SIA 2040 hat die Branche bereits konzeptionelle Vorarbeit geleistet. Wird das reichen?

Nein, aber es ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Verschiedene Seiten zeigen die Leidenschaft und den Willen, die Herausforderungen fundamental(er) anzunehmen und Lösungen zu finden. Ein tolles Beispiel hierfür ist der neu gegründete Verein «the branch». Generell nimmt die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten weiter an Bedeutung zu – hierzu bin ich auch in unserer aktuellen Nachhaltigkeitsbroschüre eingegangen (Nachhaltigkeitsbericht RE-CH). Wichtig scheint mir das Bewusstsein in der ganzen Branche – um wirklich etwas bewirken zu können, müssen alle zum Beispiel im Bereich Heizungsplanung, Elektroplanung oder auch Facility Management die gleichen Umsetzungsgrundlagen haben. Oft fehlt es aber noch am nötigen Wissen, um die Energiewende vor Ort auf den Liegenschaften umsetzen zu können.

Welche Massnahmen und Anreize vonseiten Gesetzgeber und Politik würden Sie aus Investorensicht begrüssen, um die Klimaziele in diesem Sektor schneller zu erreichen?

Wichtig ist ein gemeinsames, klares Ziel. Zudem werden nachvollziehbare und verbindliche Rahmenbedingungen benötigt, damit für die Entscheidungsfindung ein hohes Mass an Verlässlichkeit besteht. Die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes sowie die aktuellen Gesetzesvorlagen sind hier hilfreich.

Was unternehmen Sie konkret, um die Nachhaltigkeit im Gebäudebestand Ihres Portfolios systematisch zu erfassen und zu verbessern?

Nachhaltiges Immobilien-Management hat bei uns Tradition. Vor rund zehn Jahren haben wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie in Worte gefasst und mit konkreten Zielen sowie Massnahmen hinterlegt. Dazu zählen unter anderem Betriebsoptimierungen, Installationen von PV-Anlagen, systematische Heizungsersatz-Planungen, Mieterumfragen, etc. Wir sanieren Jahr für Jahr eine Vielzahl an Liegenschaften, verbessern so laufend deren Energieeffizienz sowie CO2– Bilanz und können damit aus dem Bestand heraus wachsen. Bei unseren Neubauten fokussieren wir vermehrt auf eine Lebenszyklusbetrachtung und berücksichtigen die graue Energie von Baumaterialien. Ausserdem sind verschiedene Pilotprojekte Ausdruck unserer Innovations- und Gestaltungskraft. Wir planen frühzeitig, kommunizieren transparent und vergleichen uns laufend mit dem Markt, um uns noch weiter zu verbessern.

Wie gehen Sie mit den Bestandesobjekten um, die punkto Energieeffizienz häufig schlecht abschneiden?

Es gibt keine Patentlösung. Jedes Objekt bedarf einer individuellen Prüfung und Lösung – hier sind unsere Mitarbeiter und Partner im Teamwork gefordert. Viele Bestandsliegenschaften kommen ohnehin in einen Sanierungszyklus und werden dann baulich energetisch saniert. Liegenschaften, welche noch nicht so weit sind, versuchen wir durch die Optimierung im Betrieb zu verbessern. Hierzu erfassen wir die jeweiligen Energieverbrauchszahlen.

Wie sieht es mit den Akquisitionsobjekten aus? Bewerten Sie diese bereits nach ESG-Kriterien?

Ja. ESG-Kriterien sind Teil unserer Due-Diligence-Aktivitäten und fliessen somit in die Prüf- und Entscheidungsfindung ein.

Interview: Remi Buchschacher

Urs Fäs ist Head of Investment Products im UBS Fund Management.