Während im immobilienspezifischen Kontext der Fokus im Wesentlichen auf Renditen liegt, werden Risiken oftmals vernachlässigt. Das taktische Ausblenden von Risiken ist keine effiziente Risikovermeidungsstrategie. «Die meisten Menschen überschätzen ihre Prognosefähigkeit und die Bedeutung von langsamen, aber steten Veränderungen», sagt dazu Andreas Löpfe, Geschäftsführer und Partner des Immobiliendienstleisters Inreim AG.
Immobilien-Engagements sind nach wie vor langfristige Investments. Sie bergen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Werden sich die Risiken nun durch die Corona-Krise noch verstärken?
Andreas Löpfe: Die Corona-Krise verschiebt die Chancen-/Risikoprofile unterschiedlicher Sektoren innerhalb der Anlageklasse Immobilien. Vor dem Hintergrund zunehmender Inflationsängste hat sich die relative Attraktivität der Anlageklasse als Ganzes aber eher noch verbessert.
Die Langfristigkeit der Immobilienanlage ist aber schon ein Risiko in sich. Denn während der Dauer des Immobilieninvestments können sich der Immobilienverkehrswert, der Immobilienaufwand und der Immobilienertrag verändern. Als Folgen davon steigen das Vermögensrisiko, das Amortisationsrisiko im Falle einer Fremdfinanzierung und das Liquiditäts- bzw. Insolvenzrisiko. Wurde dem Thema Risiko schon vor der Krise zu wenig Beachtung geschenkt?
Ja, die meisten Menschen überschätzen ihre Prognosefähigkeit und die Bedeutung von langsamen, aber steten Veränderungen. Einige der heute als besonders «nachhaltig» dargestellten Liegenschaften werden die «Dinosaurier» der Zukunft sein. So hat sich beispielsweise die vielgepriesene «Komfortlüftung» im Nachhinein als weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll erwiesen.
Vor allem Privatinvestoren sind sich der Risiken oft nicht bewusst. Wer nicht direkt in Immobilien investieren möchte, kann aus einer grossen Anzahl von indirekten Kapitalanlagegefässen auswählen. Welche Risiken sehen Sie bei den indirekten Investments?
Bei kotierten Anlagen sind diese grundsätzlich die Gleichen wie bei Aktien: zu häufiges Traden und eine zu geringe Diversifikation. Im Vergleich zu Wohneigentum ist allerdings die Diversifikation schon einer einzelnen Kollektivanlage um Welten besser. Das Spielfeld der Profis, die nicht kotierten Kollektivanlagen, sind für Laien leider zu komplex.
Eine Absicherung vor Unsicherheiten ist nur in begrenztem Rahmen möglich. Gebäudeversicherung, Erdbebenversicherung oder durch Kostenstabilisierung für Finanzierungen mit fixem Zinssatz (Festhypotheken). Nun drohen durch die Coronakrise auch noch Mietausfälle. Verlieren Immobilien den Ruf als sicherer Hafen?
Nein, das Risiko der Mietausfälle war schon immer «Part of the Game». Auch der wirtschaftliche Strukturwandel ist eine Konstante: Früher waren es Webereien, Spinnereien und Bierbrauer, heute gewisse Konzepte im Einzelhandel.
Ein modernes Portfoliomanagement im Bereich der direkten Immobilienanlagen muss sich den gegenwärtigen Stresstests stellen. Fragen zu Leerstandsrisiken, Szenarien bei steigenden Zinsen, Entwicklungspotenzial bei bestehenden Liegenschaften, aber auch Fragen zu anstehenden Instandsetzungskosten müssen heute beantwortet werden.
Ja, das ist aber bei indirekten Anlagen nicht anders. Szenarien sind hilfreich, um Sensitivität zu erkennen. Allerdings ist es extrem schwierig konsistente und gleichzeitig realistische Szenarien zu modellieren. Wir werden deshalb zukünftig vermehrt wieder mit Monte-Carlo-Simulationen arbeiten (siehe Kasten).
Die Leerstände nahmen während des Corona-Jahres sowohl bei den Immobilienfonds, wie auch bei den Immobiliengesellschaften zu. Sie konnten zwar auf Ende Jahr wieder etwas abgebaut werden. Wie gross ist das Leerstandsrisiko vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Homeoffice-Hypes?
Leerstände von ein paar Wochen oder Monaten sind ökonomisch betrachtet im Tiefzinsumfeld kaum relevant. Entscheidend ist die Frage, wie sich die sinkende Nachfrage nach Arbeitsplätzen auf die Marktmiete auswirken wird. Persönlich gehe ich davon aus, dass der Büroflächenkonsum pro Mitarbeiter an zentralen Lagen wieder steigt. Wie sich der Nettoeffekt auswirkt ist zurzeit meines Erachtens nicht prognostizierbar.
Auch wenn die Preise nur eine Richtung kennen, nämlich gegen oben: Werte sind nur nachhaltig, wenn sie durch Renditen abgestützt sind. Doch bei Renditen von rund zwei Prozent wird dies knapp. Stehen die Bewertungen bald zur Diskussion?
Es ist zu hoffen, dass diese weiter kontrovers diskutiert werden.
Die Renditekompression wird sich noch akzentuieren: der Referenzzinssatz sinkt und die Gefahr der Mietzinsausfälle steigt.
In den letzten 15 Jahren wartet die Branche quasi in corpore auf die unmittelbar bevorstehende Zinswende – und sie irrte sich ebenso dauerhaft. Jetzt glaubt kaum noch Jemand auf eine baldige Erholung der Zinsen. Bald ist das aber für die meisten von uns, nach wie vor, gar nicht relevant. Die De-Kompression wird kommen; so sicher wie das Amen in der Kirche.
Ein aktuell viel diskutiertes Thema sind die Dividenden der indirekten Anlagen. Wie nachhaltig schätzen Sie diese ein?
Absolut betrachtet sind die Ausschüttungen der indirekten Anlagen grundsätzlich genauso stabil wie diejenigen der direkten Anlagen. Bei 40 Prozent Agio sind sie allerdings im Verhältnis zum eingesetzten Kapital wesentlich geringer. Wer da über nötiges „Kleingeld“ verfügt, fährt also besser, wenn er beim Einkauf einer Direktanlage 10 Prozent mehr bezahlt, als der Bewerter meint, dass sie wert sei.
Im letzten Jahr gelangten zahlreiche neue Immobilienanlagegefässe an die Öffentlichkeit mit Neuemissionen. Doch die Investoren zeigten sich wählerisch und entschieden sich vor allem für bekannte Namen und bestehende Produkte. Die vorsichtigere Gangart führte dazu, dass bei 30 Prozent der Transaktionen nicht die erwarteten Mittel zusammenkamen. Teilen Sie diese Vorsicht?
Viele kleine und junge Gefässe sind punkto Gebühren, Wachstumspotenzial und Agio attraktiver als die immer noch wenigen etablierten Produkte. In diesen Fällen dient die „Vorsicht“ vor allem dem Schutz der persönlichen Reputationsrisiken der Entscheidungsträger. Bei allen Formen von Crowdfunding (bzw. Crowdinvestments) teile ich allerdings die Zurückhaltung. Das Regulationsdefizit ist zusammen mit den aggressiven Geschäftsmodellen eine potenziell toxische Mischung.
Andreas Löpfe ist Geschäftsführer und Partner des Immobiliendienstleisters Inreim AG und Business Developer bei CUREM Center of Urban & Real Estate Management an der Universität Zürich.
Monte-Carlo-Simulation: Die Liegenschaftsbewertung anhand der Monte-Carlo-Simulation (MCS) stellt eine bedeutsame Erweiterung der Immobilienbewertung dar. Weil die MCS für die Inputvariablen eine Verteilung zulässt, können Unsicherheiten abgebildet und die daraus resultierenden Risiken quantifiziert werden. Unsicherheiten entstehen, weil die Eingabegrössen in der Discounted-Cash-Flow (DCF)-Methode zukünftige Entwicklungen darstellen und deren Ausgang ungewiss ist. Die Resultate der MCS liegen in der Form einer Verteilung vor, die sich anhand statistischer Kennzahlen auswerten lassen. Dies bringt für den Endnutzer einen erheblichen Mehrwert.