Die Zahl der Emissionen erreichte 2020 eine Rekordzahl und der Primärmarkt hat Transaktionen in Höhe von über CHF 5.5 Milliarden generiert. Viele Akquisitionen würden aber keine reine Wertsteigerung mehr auslösen, sondern die Renditen bestehender Portfolios verwässern. Das könne in einigen Fällen sogar zu Kürzungen der Dividenden führen, sagt Nicolas Di Maggio von Swiss Finance& Property.
Welche Performance weist der Immobilienfonds-Index (SWIIT-Index) und Immobiliengesellschaften-Index (REAL-Index) für das Corona-Jahr 2020 aus?
Nicolas Di Maggio: Die Immobilienfonds schlossen mit einer Performance von +10.8% ab. Dahingegen konnten die Immobiliengesellschaften den zu Jahresbeginn verlorenen Boden nicht ganz zurückgewinnen und beendeten das Jahr mit einer Performance von -6.7%. Der Anstieg des Nettoinventarwerts und die erhaltenen Dividenden konnten den Rückgang des Prämienniveaus um 24%, bei einem Agio Ende 2019 von 45.5% und Ende 2020 von 21.5%, nicht vollumfänglich auffangen.
Wie ordnen Sie diese Performance ein angesichts der zahlreichen Kapitalerhöhungen am Kapitalmarkt im Wert von über 5 Mrd. Franken?
Man kann sagen, dass der Immobiliensektor insgesamt sehr gefragt war. Im letzten Jahr gab es eine Rekordzahl von Emissionen. Zudem sah das Jahr 2020 die erfolgreiche Kotierung des CS REF Logistics Plus Fonds sowie die Abspaltung durch Kotierung von Ina Invest von Implenia. Gleichzeitig hat der Primärmarkt Transaktionen in Höhe von über CHF 5.5 Milliarden generiert, was leicht über dem Niveau der Vorjahre liegt. Dies betrifft kotierte Fonds in Höhe von CHF 1.7 Milliarden, nicht-kotierte Fonds in Höhe von CHF 1.8 Milliarden, Neukotierungen in Höhe von CHF 0.9 Milliarden und Immobilienstiftungen in Höhe von über CHF 1.0 Milliarden. Die letzten Zahlen des Transaktions- und Bewertungsmarktes deuten also darauf hin, dass die Anlagerendite für alle Marktsektoren im positiven Bereich bleiben wird, mit der Ausnahme des Hotelsektors, des Gastronomiesektors und bestimmter Einzelhandelsanlagen. Gleichzeitig muss aber auch erkannt werden, dass viele Akquisitionen keine reine Wertsteigerung mehr generieren, sondern die Renditen bestehender Portfolios verwässern und in einigen Fällen sogar zu Kürzungen der Dividenden führen werden.
Seit Mitte des Sommers zeichnen sich jedoch neue Trends ab, die zu weniger einheitlichen Performances in den einzelnen Sektoren führen.
Das ist richtig. Die Nachfrage nach liquiden Anlagen hat diejenige nach kleineren Fonds oder Anlagen wie nicht-kotierten Fonds weit übertroffen. Anleger bevorzugten Fonds mit einem Fokus auf Wohnimmobilien gegenüber Fonds im kommerziellen Sektor. Das Interesse am Wohnsektor war noch stärker als in den Vorjahren. Dabei erreichten die Transaktionspreise neue Spitzenwerte, was fallweise zu weiteren positiven Aufwertungen der Immobilienportfolios führte.
Wie reagierten denn die nicht-kotierten Fonds?
Bei nicht-kotierten Fonds bestimmt vorwiegend der Nettoinventarwert die Preisbildung und ist daher kapitalmarktgetriebenen Kursschwankungen weniger unterworfen. Entsprechend stabilisieren nicht-kotierte Fonds die Performance bei Kursrückschlägen. Dies konnten wir von Februar bis Mitte März 2020 gut beobachten. Wie vorgängig beschrieben, befindet sich das Segment Immobilienfonds Schweiz seit Mitte März 2020 in einer Hausse. Nicht-kotierte Fonds hinken in Aufwärtsbewegungen der allgemeinen Kursbildung hinterher, sind aber gleichzeitig grösseren Verwerfungen weniger ausgesetzt. Das Resultat sind temporär relative Unterperformances.
Ist es für Optimismus noch zu früh, da die Auswirkungen der globalen Pandemie auch im vierten Quartal erheblich waren?
Der Rückblick zeigt, dass Immobilien trotz der gegenwärtigen Herausforderungen nach wie vor begehrt bleiben. Die Debatte um eine mögliche Mietszinssenkung von kommerziellen Mietverträgen könnte für Unsicherheit sorgen. 2020 konnten viele Konkurse abgewendet werden. Dies heisst aber nur bedingt, dass es dieses Jahr zu einer deutlichen wirtschaftlichen Erholung kommt. Negative Nachholeffekte sind nach wie vor wahrscheinlich.
Wie wirken sich diese auf die einzelnen Sektoren aus?
Nach dem Lockdown im Frühling 2020 konnten einige Sektoren durch einen erstaunlich dynamischen Binnenkonsum ein Rekordumsatzwachstum verzeichnen. Dies ermöglichte vielen in Gewerbeimmobilien aktiven Fonds, ihre Ausschüttungsprognose für das Jahr 2021 beizubehalten. So erreichte 2020 beispielsweise der kommerzielle Sektor ein Agio von 18.8% bei einer Dividendenrendite von 3.4% und einer erwarteten operativen Ausschüttungsquote von 99.6%. In ähnlicher Weise erreichten einige Large-Cap-Mischfonds und Wohnimmobilienfonds Agios von 50% und darüber, was eine Dividendenrendite zwischen 1.5% und 2.2% impliziert. Dennoch werden viele Anleger die Publikation der Geschäftszahlen abwarten, bevor sie Anpassungen in ihren Positionen vornehmen. Es ist zu erwarten, dass die Investoren 2021 mit kleineren Renditen vorliebnehmen müssen.
Und die Margen?
Die Margen im Wohn- und Gewerbesektor dürften noch einige Zeit hoch bleiben. Ob Mischfonds im kommenden Jahr eine so hohe Liquiditätsprämie aufrechterhalten werden, ist jedoch fraglich. Nicht-kotierte Fonds und einige Immobiliengesellschaften scheinen vergleichsweise attraktiv bewertet zu sein und sollten sich auch heuer gut entwickeln.
Einige Produkte haben den anfänglichen Abschwung aufgrund befürchteter Auswirkungen von COVID-19 mehr als ausgeglichen und konnten in den letzten Wochen sogar ein neues Allzeithoch verzeichnen. Wie wird sich das auf die Dividendenpolitik auswirken?
Die starke Nachfrage hat den Markt auf historische Höchststände getrieben – einige Produkte werden mit Prämien von über 50% gehandelt. Der Immobilienfonds-Index (SWIIT-Index) hat derzeit eine Dividendenrendite von nur 2,36% bei einem Agio von 40,5% und einer erwarteten operativen Ausschüttungsquote von 97,7%. Insgesamt gibt es nicht viel Spielraum für eine Dividendenerhöhung. Das Risiko eines allgemeinen Rückgangs aufgrund der Pandemie kann allerdings nach heutigem Stand ausgeschlossen werden. Die Frage der Dividendenpolitik sollten wir unter dem Gesichtspunkt der Akquisitions- und Entwicklungsstrategien von Liegenschaften und den damit verbundenen Finanzierungskosten und im Hinblick auf die Entwicklung der langfristigen Mieteinnahmen betrachten. Die Auswirkungen von Corona werden sicherlich bestimmte strukturelle Veränderungen beschleunigen, mit eventuellen Auswirkungen auf die Ausschüttungen im Bereich von wenigen Prozentpunkten.
Im dritten Quartal blieben die Immobiliengesellschaften mit einem kumulativen Rückstand von fast 15 Prozent deutlich hinter dem Aktienmarkt zurück. Wie hat sich dieser Rückstand im vierten Quartal entwickelt?
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Handelstätigkeit von Immobiliengesellschaften erhebliche Auswüchse haben kann. Als Erinnerung: Anfang 2020 sind die Immobiliengesellschaften ihrerseits völlig von der Bewertung der Liegenschaften abgewichen und auf ein durchschnittliches Prämienniveau von 60% gestiegen, wodurch die direkte Rendite auf 2,8% gesunken ist. Seit der Gründung des Index für Immobiliengesellschaften im Jahr 2000 lag das Niveau nie unter dem Durchschnitt der vom SPI-Index repräsentierten Schweizer Aktien. Kurz gesagt: Immobilien sind teuer! Ausserdem hat die Börsenpanik im März kaum eine Chance für eine Neupositionierung zugelassen. Gekoppelt mit extremer Volatilität sind die Segmente der Immobiliengesellschaften in den negativen Bereich gefallen und haben die Exzesse vom Jahresanfang ausradiert. Der Aufschwung an den Aktienmärkten kam den Schwergewichten in der Kotierung von Immobiliengesellschaften nicht zugute. Aktienanleger konzentrierten sich in Phasen starker Anstiege auf Aktien mit höherem Beta.
Wie sind die Chancen der Immobiliengesellschaften für das laufende Jahr?
Im Herbst 2020 gewann die Bewertung von Immobiliengesellschaften im Verhältnis zu den Aktienmärkten auf dem Weg zu neuen historischen Höchstständen wieder an Attraktivität. Die Performance der letzten Monate liess sich gar mit jener des Aktienmarktes vergleichen. Insgesamt haben die Immobiliengesellschaften intakte Chancen für eine Outperformance im Jahr 2021.
Im Corona-Jahr sind zwei Immobiliengesellschaften mit unterschiedlichem Erfolg zum Börsengang erschienen: Ina Invest und EPIC Suisse, die sich allerdings wieder zurückzog. Was sagt das über den Zustand des Immobilienmarktes aus?
Diese Diskussion kann auf die Primärmarktaktivitäten im Allgemeinen ausgeweitet werden. Bei Transaktionen von mehr als CHF 5 Milliarden entsteht der Eindruck, dass sich die Mittelbeschaffung bei den Investoren einfach gestaltete. Dies entspricht aber nicht ganz der Realität.
Der Markt hat sich stark professionalisiert und die Ansprüche der Investoren sind gestiegen?
Natürlich gibt es immer noch Raum für neue Produkte, doch diese erfordern eine äusserst solide und gut durchdachte Strategie. Um Investoren zu überzeugen, bedarf es einer klaren Transparenz über die Mittelverwendung und eine detaillierte, klare Pipeline. Bei solchen Geschäften ist es umso wichtiger, auf starke Aktionäre zählen zu können. In dieser Hinsicht hat die Transaktion den Spin-off von Implenia mit der Börsenkotierung von Ina Invest dank der Beteiligung von Swiss Life und eines Managementteams und Verwaltungsrats mit langjähriger Markterfahrung zweifellos erleichtert.
Der Start ist also geglückt?
Der Sekundärmarkt hat den Anlegern jedoch noch keinen Mehrwert geboten, da die Aktie unter den Ausgabekurs gefallen ist und sich schlechter als der Index für Immobiliengesellschaften entwickelt hat. Dies soll noch einmal eine Erinnerung daran sein, dass Immobilieninvestitionen sich für langfristige Projekte besser eignen als für kurzfristige Kapitalgewinne.
Deutlich zugenommen hat die Zahl der Asset Manager im Immobilienbereich. Institutionelle Anleger könnten nun ihr Immobilien-Exposure aus den indirekten Gefässen abziehen und mit einem Mandat vielleicht kostengünstiger betreuen lassen. Führt das nicht zu mehr Unübersichtlichkeit?
Nicht zwingend. Trotz des hohen Immobilien-Exposure der indirekten Vehikel aller Sektoren von mehr als CHF 170 Milliarden an Immobilienvermögen kann deren Portfolioqualität auf dem aktuellen Transaktionsmarkt teilweise nicht mehr repliziert werden. Auf der anderen Seite geht der Gesamttrend immer noch in Richtung einer Erhöhung des Vermögensanteils, welcher der Anlageklasse zugeordnet ist. Die Aussichten auf einen massiven Ausverkauf aus den indirekten Gefässen scheinen im Moment nicht realistisch.
Der Trend in Richtung Professionalisierung setzt sich fort?
Zweifellos werden die Anforderungen an die Fähigkeiten der Asset Manager im Immobilienbereich weiter steigen. Dies heisst auch, dass nicht jede Gesellschaft den hohen Ansprüchen der Investoren langfristig gerecht werden kann. Einige Investoren werden das Management ihrer Anlagen über Mandate outsourcen. Allerdings wird dies in Form einer direkten Immobilieneinlage oder Cash-Investition erfolgen, sei es in Form eines Mandats für einen einzelnen Investor oder einer Sacheinlage in ein bestehendes oder neues kollektives Produkt. Unter diesem Gesichtspunkt wird klar, dass die Skaleneffekte eines Immobilien-Asset-Managers es ermöglichen, die Kosten zu minimieren oder bei ähnlichen Kosten ein viel breiteres Spektrum an Expertise anzubieten.
Interview: Remi Buchschacher
Nicolas Di Maggio ist Head Asset Management indirect investments und Member of the Executive Board bei Swiss Finance & Property.