«Seit März 2020 hat sich vieles verändert», schreibt Thomas Beyerle vom internationalen Immobiliendienstleister Catella in seiner «Marktmeinung 2021». «Wir wissen, dass Immobilienmärkte traditionell nachlaufend zur Konjunktur reagieren, die negativen Schlagzeilen im Frühjahr werden zunehmen. Die Frage ist: Stimmt diese Aussage als in mehreren Zyklen abzulesendes Gesetz weiterhin?»
Zum einen befinden wir uns mittlerweile in einer zweiten – nunmehr dramatischer – verlaufenden Pandemiewelle, zum anderen werden wir in den kommenden Wochen die Wirkungen auf die gewerblichen Immobilienmärkte aus dem vergangenen Jahr in den Zahlen gänzlich ablesen können. Hier wird dann die ganze Bandbreite der Auswirkungen sichtbar: Im Quartalsvergleich, im Jahresvergleich oder gar im 10-Jahresvergleich – aber: Es scheint bisher eine Krise „der Anderen“ zu sein – vor allem im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen.
Hier schwingt denn auch gerne die Hoffnung einer gewissen Immunität der Immobilienmärkte mit, zumindest wenn man den Blick nach vorne richtet. Zweckoptimismus? Nur zum Teil. Nimmt man die Kapitalmarktperspektive, stehen die Vorzeichen klar auf „pro Real Estate“. Doch differenziert man „den Immobilienmarkt“ in seine Teilsegmente zeigt sich ein sehr heterogenes Bild: Die Status-Quo-Analyse, plus kurzfristige Prognose reicht nach unserer Einschätzung dabei von „weiterhin Boom“, über „in der Summe ordentlich“, bis hin zu „starke Umsatzeinbrüche“. Lässt man dann die darunter liegenden Vermietungs- und Transaktionsmärkte in die Analyse einfliessen, wird das Bild eher diffuser mit einem negativen Saldo für 2021. Doch stimmt das? Wir konnten in 2020 insgesamt weniger Immobilientransaktionen messen, zudem hat die Anzahl an Off-Market-Transaktionen weiter zugenommen (Transparenzherausforderung!).
Differenzierte Betrachtung
Wer an die Immunität der Immobilienmärkte in dieser Pandemiezeit noch immer glaubt, möge gerne daran festhalten. Wir sehen das differenzierter. Denn: Die vor uns liegende Marktphase und ihre Wirkungen kommen mit Ansage. Wir wissen, dass Immobilienmärkte traditionell nachlaufend zur Konjunktur reagieren, die negativen Schlagzeilen im Frühjahr werden zunehmen. Die Frage ist: Stimmt diese Aussage als in mehreren Zyklen abzulesendes Gesetz weiterhin? Mehr noch: Die konjunkturellen Indikatoren nach einem desaströsen Q2 und Q3 2020 drehen wieder ins Positive. Alles also gut?
Fakt ist, dass wir in der Gesamtbetrachtung eine noch nie dagewesene Bandbreite der Marktreaktionen haben:
• Büroimmobilien erscheinen stabiler denn je als Anlageklasse – zumindest, wenn man sich die Investments 2020 anschaut. Ob dabei die Effizienzmassnahmen „nach COVID“ schon eingepreist sind, möchten wir bezweifeln. Homeoffice wird seine quantitative Wirksamkeit in den nächsten Jahren entfalten. Mietsteigerungen – sieht man von Neubauten in Premiumlagen mit Premiummietern einmal ab – sollten eher als Hoffnungswert angesehen werden. Gleichwohl: Auch in 2021 werden Büroinvestments auf der Wunschliste der Investoren ganz oben stehen.
• Logistikimmobilien sind weiterhin im Strudel des anhaltenden Booms. Die darunter liegenden Fundamentalfaktoren sind mehr als positiv, mehr noch: Die „Zellteilung“ innerhalb der Objekttypen hat gerade erst eingesetzt und verstärkt den Boom. Wenn man als einziges Manko das geringe Neubauangebot analytisch begleiten darf, wird klar: Krise sieht anders aus.
• Auf den europäischen Wohnimmobilienmärkten scheint aus Investorenperspektive weiterhin die Sonne: Der „Rise of Resi“ wird weiter voranschreiten, obwohl die verfügbaren Objekte zunehmend begrenzt sind. Sofern die Aktivitäten – was sie gerade in den letzten 12 Monaten mehr denn je taten – mit einem klaren Fokus auf Ballungsräume liegen, werden Wertanpassungen kaum notwendig sein. Wir erwarten eine weitere Renditekompression und hohe Nachfrage nach Core Assets. Allerdings sehen wir auch neue Akteure am Markt, die die Nachfrage verschärfen.
• Retail: Das Gewitter setzt unmittelbar ein. Hier erwarten wir grössere Marktanpassungen, sowohl strukturell als auch aus Sicht der aktuellen Bewertungsniveaus. Während der Markt für Shopping Center zu den „grossen Restrukturierungspositionen“ zählen, erweist sich der Lebensmitteleinzelhandel als weitgehend krisenresistent. Wir erwarten gerade (vorgezogene) Refurbishment-Aktivitäten im Shopping-Center-Segment.
In der Zusammenfassung: Die aktuelle und perspektive Situation sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es genügend Möglichkeiten an den europäischen Immobilienmärkten gibt, sich dort zu positionieren. Die Kapitalverfügbarkeit ist sehr hoch, Problemlösungsfähigkeiten und opportunistisches Investitionsgebaren ist in dieser Gemengelage essentiell. Genau deshalb befinden wir uns 2021 in einer neuen Marktphase.