Die Wirtschaftserholung sei abhängig vom globalen Pandemie-Management
, schreibt Brice Hoffer, Head of Real Estate Research & Strategy – DACH bei der UBS in der neusten Ausgabe des UBS-Immo-Update.

Die allmähliche Normalisierung des täglichen Lebens im Vergleich zu den starken Einschränkungen auf dem Höhepunkt der COVID-19-Krise im Frühjahr sowie die von der Schweizer Regierung erklärte fiskalische Unterstützung (Kurzarbeitsrege- lung, COVID-19-Kredite usw.) trugen zur bisherigen Erholung der Schweizer Wirtschaftsaktivität und zur Aufwärtsrevision der Wachstumsprognosen bei. Nach aktueller Einschätzung sollte das reale BIP im Jahr 2021 um 3,7% wachsen. Für das laufende Jahr wird ein Rückgang von 3,7% erwartet. Allerdings bestehen weiterhin ausgeprägte Abwärtsrisiken für dieses Szenario. Der jüngste Anstieg der COVID-19-Infektionszahlen zeigt das anhaltende Risiko weiterer Infektionswellen (siehe Abbildung 1), wobei bewegungseinschränkende Massnahmen rund um Europa und in der Schweiz wieder eingeführt werden mussten. Darüber hinaus werden Sektoren, die stark von internationaler Mobilität abhängig sind (Tourismus, Flugreisen usw.), wahrscheinlich mehrere Quartale oder sogar Jahre benötigen, um wieder das Aktivitätsniveau von vor der Krise zu erreichen. Letzten Endes werden das genaue Tempo und der Pfad der wirtschaftlichen Erholung weitgehend von der Wirksamkeit des Pandemie-Managements in der Schweiz und im Ausland abhängen.

Immobilientransaktionsmarkt bleibt dynamisch

Das makroökonomische Umfeld unterstützt weiterhin die deflationären Kräfte. Im Oktober fiel der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) um 0,6% ggü. dem Vorjahr. Darüber hinaus schafft die fortdauernde Stärke des Schweizer Frankens die Voraussetzung für das anhaltende Niedrigzinsumfeld, das Schweizer Anleger bereits seit über fünf Jahren erleben. Daher bleiben Schweizer Staatsanleihen über alle Laufzeiten hinweg tief im negativen Bereich. In diesem Niedrigzinsumfeld und trotz der Unsicherheiten durch die COVID-19-Pandemie bleibt der Investitionsdruck am Transaktionsmarkt für Schweizer Immobilien sehr hoch. Nach einer Verlangsamung auf dem Höhepunkt des Lockdowns hat die Transaktionstätigkeit im Laufe der letzten Monate wieder Fahrt aufgenommen. Die Preise für Spitzenobjekte bei Mehrfamilienhäusern und Büroflächen blieben auf hohem Niveau, und die Nettoanfangsrenditen für solche Liegenschaften gingen im zweiten Quartal um 25 bzw. 15 Basispunkte gegenüber dem Vorjahr zurück.

Robustheit des Mietwohnungsmarktes

Der Schweizer Mehrfamilienhaussektor zeigte sich im laufenden Jahr trotz des Pandemieausbruchs sehr robust. Im Vergleich zu den kommerziellen Sektoren waren die Folgen für die Mietzahlungen bisher marginal, und das Absorptionspotenzial bleibt angesichts der derzeit unsicheren Bedingungen überraschend solide. Diese Stabilität lässt sich aus dem stärkeren Rückgang der Auswanderungsdynamik im Vergleich zur Einwanderung erklären, was zu einem leichten Anstieg der Nettomigration über die ersten neun Monate des Jahres um ca. 10% im Vergleich zu den Vorjahrswerten führte. Allerdings dürften Mobilitätseinschränkungen und die Verschlechterung der Arbeitsmarktslage die Einwanderungsdynamik der Schweiz in den kommenden Monaten belasten. Vor diesem Hintergrund dürfte das Nachfragewachstum am Schweizer Mietwohnungsmarkt in naher Zukunft verhalten bleiben. Laut Baublatt geht die Planung neuer Wohnungen weiterhin leicht zurück, bleibt aber in absoluten Zahlen auf gehobenem Niveau: Ende des dritten Quartals 2020 wurden Baubewilligungen für die Jahressumme von rund 44 000 Einheiten erteilt. Angesichts der aktuellen Bautätigkeit und des erwarteten langsameren Nachfragewachstums dürften die Angebotsmieten in den kommenden Quartalen meist unter Druck bleiben. Allerdings dürften stark nachgefragte urbane Räume, in denen die Marktbedingungen weiterhin intakt sind, kaum tangiert bleiben. (Abb. 2)

Büroflächenmarkt: So weit, so gut…

Der COVID-19-Schock fiel in eine Zeit, in der der Schweizer Büroflächenmarkt wachsende Anzeichen von Stärke zeigte. Nach Angaben von JLL gibt es auf dem Nutzermarkt bisher keine klaren Anzeichen für COVID-19-bezogene Auswirkungen. In der Region Zürich stieg die Zahl der verfügbaren Büroflächen vom ersten zum zweiten Quartal 2020 nur leicht an (+3,9%), während der Genfer Markt einen begrenzten Rückgang verzeichnete (–3,0%). Einen zusätzlichen Beleg für die bisherige Robustheit des Büromarktes bieten Daten von Wüest Partner, nach denen die Dynamik der Angebotsmieten am Schweizer Markt im dritten Quartal in etwa stabil blieb. Trotz dieser Anzeichen der Robustheit erwarten wir für die Zukunft weitere negative Folgen der Pandemie. Im zweiten Quartal des Jahres entwickelte sich die Beschäftigung nach 15 Quartalen ununterbrochenen Wachstums erstmals wieder negativ. Sowohl das verarbeitende Gewerbe (–0,4%) als auch der Dienstleistungssektor (–0,1%) waren hiervon betroffen, auch wenn dieser etwas robuster blieb. Darüber hinaus werden die Unternehmen angesichts der aktuell grossen Ungewissheit geneigt sein, Expansionspläne in den kommenden Quartalen aufzuschieben. All diese Faktoren dürften das Absorptionspotenzial von Büroflächen belasten und den Stabilisierungstrend bei Angebotsmieten abschwächen.

Einzelhandelsimmobilien: Nachteilige Trends dürften sich verstärken


Die beobachtete Erholung der Einzelhandelsumsätze nach
der Lockerung der Lockdown-Massnahmen stellte eine sehr positive Entwicklung für die Branche wie auch für die Stabilität des Schweizer Verkaufsflächenmarktes dar. Dennoch waren die Lockdown-Massnahmen ein harter Schlag für einen bereits fragilen Sektor. Auch dürften jüngste Trends wie E-Commerce und stagnierende Reallöhne, die zu einer Schwächung des physischen Einzelhandels beitragen, aufgrund der langfristigen Folgen der COVID-19-Pandemie stärker zum Tragen kommen. All diese Einflüsse wirken sich nachteilig auf Mieter von Verkaufsflächen aus, was darauf hindeutet, dass das Gleichgewicht des Einzelhandelsimmobilienmarktes noch länger beeinträchtigt wird. Eine Ausnahme sollten Objekte im Lebensmittel- und Convenience-Einzelhandel bilden, da diese Sektoren sowohl von den erwähnten nachteiligen Trends als auch vom COVID-Schock wenig tangiert bleiben. Zu erwarten ist, dass Immobilienanleger auf die schlechteren Fundamental- daten im Einzelhandelsmarkt in den kommenden Quartalen reagieren werden, was zu höheren Risikoprämien bei Transaktionen von Einzelhandelsimmobilien führen sollte.

Brice Hoffer, Head of Real Estate Research & Strategy – DACH bei der UBS