Studentenwohnen: Kontinuierlich steigendes Angebot

Seit vergangenem Jahr wuchs der Bestand an Studentenunterkünften um rund 7 Prozent auf 25‘300 Betten. Durch die jüngsten Aktivitäten im Markt haben im gesamtschweizerischen Durchschnitt 10.4 Prozent der Studierenden die Möglichkeit in einem Wohnheim unterzukommen. Die beiden Hochschulstandorte Zürich und Lausanne bieten dabei weiterhin das grösste Angebot. Das geht au seiner Studie von Jones Lang LaSalle hervor. Von Daniel Stocker und Nils Donner*
Anfang Oktober diesen Jahres wurde «Vortex», das grösste zusammenhängende Studentenwohnheim der Schweiz, in unmittelbarer Nähe zum Hochschulcampus und der Metro M1 in Lausanne eingeweiht. Das Objekt beherbergt rund 1000 Studierende und wird durch die Fondation Maisons pour Etudiants Lausanne (FMEL) verwaltet. Damit bietet Lausanne weiterhin im schweizweiten Vergleich mit 16.5 Prozent (Anzahl Betten/Studierende) die beste Versorgung. Im Raum Zürich/Winterthur blieb das Angebot stabil im Verhältnis zur Anzahl Studierender. In diesem Jahr wurde das Wohnheim an der Rosengartenstrasse (WOKO) mit 130 Zimmern eröffnet. Zusätzliche Kapazitäten wurden zudem in Fribourg (Fonderie/Stiftung Apartis) und Bern (WankdorfCity/Student Lodge) eröffnet. Der Hochschulstandort St. Gallen bleibt weiterhin weit abgeschlagen, was die aktuelle Versorgung betrifft.
Heterogenes Mobilitätsverhalten
Aufgrund der unterschiedlichen Versorgung mit Studentenwohnheimen innerhalb der Schweiz hat JLL gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Senozon AG das Mobilitätsverhalten von Studierenden an verschiedenen Schweizer Hochschulstandorten untersucht, namentlich von Bern, Fribourg, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich. Als Grundlage diente das Mobilitätsmodell von Senozon, welches auf Basis von Mobilitätserhebungen, Infrastruktur- und Bevölkerungsdaten Bewegungsmuster simuliert und mit Messungen aus Drittdaten (zum Beispiel Verkehrszählungen, Apps, Mobiltelefondaten) validiert. Modelliert wurde der Weg vom Wohn- zum Ausbildungsort. Das Mobilitätsmodell basiert auf aktuellen Daten und Befragungen des BfS (Pre-Corona), Fahrplänen und Navigationsnetzen, und bildet die typischen Bewegungsmuster der gesamten Schweizer Bevölkerung ab. Diese Analyse begrenzt sich auf Auswertungen der Studierenden an Hochschulen, welche sich in Ausbildung befinden. Nicht berücksichtigt wurden Studierende von Weiterbildungsprogrammen, weil sich diese betreffend Einkommen und Wohnsituation von der ersten Gruppe oftmals differenzieren.
Die Hochschulstandorte haben unter anderem folgende Unterschiede offenbart:
▪ In Winterthur und Zürich wohnen rund zwei Drittel der Studierenden am Ausbildungsort, in Lausanne sind es 45 Prozent, in Luzern und St. Gallen rund die Hälfte.
▪ In St. Gallen und Luzern reisen mit 25 Prozent beziehungsweise 22 Prozent am meisten Studierende mit dem Auto an.
▪ Umgekehrt bewegen sich in Winterthur zwei Drittel der Studierenden mit dem Velo oder zu Fuss zum Ausbildungsort.
▪ Im Median haben Studierende in Lausanne und Zürich mit 6 km den kürzesten Reiseweg. Lausanne weist den höchsten Anteil auf an Stu- dierenden mit einer Entfernung von weniger als 10 km vom Ausbildungsort. Die Reisezeiten sind jedoch deswegen nicht signifikant kürzer.
Einzugsgebiete der Hochschulstandorte
Analog zum Mobilitätsverhalten wurden mit dem Modell von Senozon die Einzugsgebiete der jeweiligen Hochschulstandorte dargestellt, also aus welchen Gemeinden die Studierenden mehrmals wöchentlich zur Hochschule reisen. Dabei sind Winterthur und Zug für den Hochschulstandort Zürich die wichtigsten Wohngemeinden von Studierenden, neben Bülach, Frauenfeld, Schaffhausen, Wil, Rapperswil und Baar. Umgekehrt ist Zürich für den Ausbildungsort Winterthur ebenfalls die wichtigste Wohngemeinde von Studierenden. Winterthur charakterisiert sich allerdings insbesondere dadurch, dass einerseits ein hoher Anteil an Studierenden direkt dort wohnt, ansonsten aber eher lange Anfahrtswege bestehen. Das Einzugsgebiet erstreckt sich über Schaffhausen, Frauenfeld nach Amriswil, Gossau, Herisau und St. Gallen, sowie ebenso nach Wattwil, Rapperswil und Spreitenbach.
Die Analyse zeigte zudem, dass zwar mehr als 50 Studierende der Hochschule Luzern in der Stadt Zürich wohnhaft sind, sich aber ansonsten die Einzugsgebiete auf die Innerschweizer Gemeinden beschränken. Zudem sind abgesehen von der Standortgemeinde am meisten Studierende der Hochschulen St. Gallen in Amriswil, Herisau, Gossau, Goldach und Wittenbach wohnhaft. Winterthur und Schaffhausen sind die westlichsten Städte des Hochschulstandorts St. Gallen. In Lausanne hingegen pendeln am meisten Studierende von den angrenzenden Gemeinden sowie aus Genf an die Hochschuleinrichtungen. Nördlich reicht das Einzugsgebiet bis Yverdon mit Schwerpunkten in Orbe und Moudon, östlich bis an die Grenze zum Kanton Wallis mit einer hohen Konzentration in Montreux.
Geplante Projekte
JLL rechnet bis zum Jahr 2023 schweizweit mit einer zusätzlichen Ausweitung um rund 2200 Betten. Abbildung 1 zeigt neben dem aktuellen Bestand ebenfalls, wie sich die Auslastung an den jeweiligen Hochschulstandorten unter Einbezug der vom BfS prognostizierten Studierendenzahlen und der geplanten Neubauprojekte/Zwischennutzungen bis zum Jahr 2023 voraussichtlich entwickeln wird. In der Westschweiz verhält sich der Markt weiterhin sehr dynamisch. In Lausanne wird es auf dem geplanten Campus Santé (FMEL) auch Unterkünfte für Studierende geben. In der Region Luzern sind gleich mehrere Projekte geplant in Luzern Süd wie zum Beispiel im Schweighof Quartier (Student Mentor Foundation Lucerne) und im Quartier Nidfeld (Patrimonium). Auch in St. Gallen, in der Nähe vom Bahnhof St. Fiden, kommt ein weiteres Objekt hinzu.
Gute Auslastung trotz COVID-19
Die anhaltenden Reisebeschränkungen dürften den Zuwachs von Studierenden aus dem Ausland abbremsen, aber nicht stoppen. Das Studium an der gewünschten Ausbildungsstätte ist für viele zu bedeutend und die Berufschancen zu vielversprechend, um aufgrund von befristeten Quarantänefolgen auf eine bequemere, nähergelegene Alternative umzusatteln. Solange die Pandemie nicht unter Kontrolle ist, können Semesterstarts verschoben werden, was kurzfristig zu tieferen Belegungsquoten in Studentenwohnheimen führen kann. Ebenso die verordnete Umstellung auf Fernunterricht, welche seit dem 2. November in Kraft ist.
Internationale Benchmarks zeigen aber, dass die Auslastungen spätestens mit dem Studienbeginn unverändert hoch liegen. Konjunktureinbrüche erhöhen tendenziell die Zahl der Studierenden. Einerseits wird es schwieriger, eine Stelle zu finden. Andererseits wächst das Bewusstsein, dass eine gute Ausbildung die Berufsperspektiven auf einem hart umkämpften Arbeitsmarkt erhöht. Dafür ist auch die Ausbildung an der bestmöglichen Hochschule wichtig.
Es ist davon auszugehen, dass es im Ausbildungswesen zukünftig vermehrt möglich sein wird, aus der Distanz zu studieren. Allerdings nimmt der gegenseitige Austausch, Diskussionen/Präsentationen sowie die Notwendigkeit von studiengangsbezogener Infrastruktur mit Schwerpunkt in Technik und Naturwissenschaften einen bedeutenden Bestandteil bei der Ausbildung vor Ort ein. Zudem dürfte eine Vielzahl der jüngeren Studierenden gerade auch die persönlichen Interaktionen am Ausbildungsort schätzen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Hochschulen ein Ort der physischen Begegnungen bleiben werden.
Die Erfahrungen der Pandemie werden aber dennoch Spuren in Verhaltensweisen hinterlassen, möglicherweise mit Auswirkungen auf bevorzugte Wohnformen. Eine Wohnung mit eigenem Bad/eigener Küche bietet gegenüber Wohngemeinschaften hygienische Vorteile. Wohnkonzepte, welche diese Kriterien zu tragbaren Mietzinsen erfüllen, dürften sich einer noch stärkeren Nachfrage erfreuen, sofern eine akzeptable Anbindung zum Ausbildungsstandort besteht.
Legende zur Grafik: Modalsplit verschiedener Ausbildungsstandorte