Die «neue Normalität» im Corona-Regime hat bisher keine stärkeren Preiskorrekturen im Schweizer Immobilienmarkt verursacht, schreibt IAZI in der neuen Immobilienmarktstudie. Allerdings stehen die Liegenschaften im Bereich Gastronomie, Hotellerie und Tourismus vor sehr grossen Herausforderungen. Gesucht sind hingegen Einfamilienhäuser mit Garten. Es ist schon vorauszusehen, dass die Corona-Pandemie zu einer Verschiebung der Präferenzen in Bezug auf die Standortwahl führt.
IAZI. Die seit Anfang Jahr grassierende Corona-Pandemie hat das Leben aller Einwohnerinnen und Einwohner massiv verändert. Alle Konjunkturforschungsinstitute rechnen für 2020 mit einem starken Rückgang des BIP und einem starken Aufschwung im nächsten Jahr. Optimistisch stimmt, dass die USA einen Präsidenten gewählt hat, der sich für ein kooperatives Miteinander auf der weltpolitischen Bühne einsetzen wird und die Corona-Bekämpfung zur Priorität erklärt hat. Es ist auch damit zu rechnen, dass die Suche nach einem Corona-Impfstoff noch dieses Jahr einen neuen Schub erhält. Bedenklich stimmt, dass einzelne Sektoren der Wirtschaft durch die noch andauernden Krise in ihrer Existenz bedroht sind. Wie hat sich nun diese besondere Situation auf den Schweizer Immobilienmarkt ausgewirkt?
Robuste Mehrfamilienhäuser in unsicheren Zeiten
Die Preise für Mehrfamilienhäuser sind Year-to-Date im November dieses Jahres seitwärtsmit einem leichten Rückgang des Preiswachstums von -0.8% verlaufen. Dies deutet daraufhin, dass die seit Anfang Jahr in Kraft getretenen schärferen Regeln für die Finanzierungvon Mehrfamilienhäusern die gewünschte Wirkung zeigen. Hinter den Extremfällen vonErwerb von Liegenschaften zu einer extrem tiefen Rendite stehen meistens Akteure, die aufkeine Fremdfinanzierung durch Banken angewiesen sind.
Sorgen bereitet die dieses Jahr nochmals gestiegene Leerwohnungsziffer von 1.72%, waseiner absoluten Zahl von 78‘832 leeren Wohneinheiten entspricht. IAZI hat sich mit derFrage beschäftigt, welche Gemeinden ein besonderes Leerstandrisiko eingehen, wenn nochviele Baubewilligungen ausstehen, obschon es hohe Leerstände gibt. Mit verschiedenenEckwerten (Baubewilligungen, bestehende Wohneinheiten etc.) hat IAZI für alle Gemeinden der Schweiz einen Leerstandrisikoindikator berechnet.
Besonders hoch ist das Leerstandrisiko in Gemeinden, die auf einer Achse zwischen demMittelland und einzelnen MS-Regionen in der Westschweiz liegen.Mit einer weiteren Analyse hat IAZI untersucht, wie sich die Leerstandrisiken und Mietzinsniveaus auf Gemeindeebene entwickelt haben im Umland der 5 grössten Grosszentren der Schweiz d.h. Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich. Die Schweizer Mieten (d.h. inserierte Mieten) sind momentan, ausser in Zürich, stabil bis leicht sinkend. Diese Stabilität ist auf die Ursache zurückzuführen, dass sich der positive Wanderungssaldo (Zuwanderung abzüglich Abwanderung) in den Gemeinden generell nicht stark verändert hat im Vergleich zum Vorjahr.
Eigenheime bleiben begehrt
Privates Wohneigentum (Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen) weist gemäss denIAZI-Preisindizes im Zeitraum von einem Jahr immer noch ein starkes Preiswachstum aus(+2.4% für Einfamilienhäuser; +3.2% für Eigentumswohnungen). Ein Grund dafür liegt in den immer noch historisch tiefen Hypothekarzinsniveaus. Dies gibt denen, die die nötigen Eigenmittel besitzen, die Möglichkeit, ihren Traum nach den eigenen vier Wänden zu günstigen Konditionen zu verwirklichen. Allerdings sind die Preise für privates Wohneigentum immer noch auf sehr hohem Niveau, was gemäss Analyse von IAZI zu einer Abwanderung aus den Grosstädten in die umliegende Regionen geführt hat.
Wertkorrekturen erwartet
Verursacht durch die landesweite Lockdown-Phase im März und auch durch lokale Lockdowns wird sich der Liegenschaftswert von kommerziellen Liegenschaften verringern. Der Liegenschaftswert wird durch die abgezinsten Mieteinnahmen abzüglich der immobilienrelevanten Aufwände ermittelt. Besonders Betriebe im Gastrobereich, in der Hotellerie und im Tourismus sind durch Corona sehr stark betroffen, und es ist in diesem Umfeld mit Betriebsschliessungen zu rechnen, da nun auch die einnahmeträchtige Wintersaison gefährdet ist. Hervorzuheben ist allerdings, dass sich der Schweizer Tourismus schon seit einigen Jahren in einer Strukturkrise befindet.
Bei Verkaufsflächen wird sich der Strukturwandel durch die Abwanderung zum Online-Handel weiterhin fortsetzen. Bei Büroflächen wird sich unserer Meinung nach der Home-Office-Modus nach aller Voraussicht teilweise permanent etablieren, was längerfristigbedeuten könnte, dass weniger Bürofläche auf dem Markt nachgefragt wird. Allerdings wird der Flächenbedarf für einen Büroarbeitsplatz grösser werden, um die nötigen Abstände einzuhalten. Der einzige Gewinner der Krise sind die Pharmafirmen und Logistikzentren. Tatsächlich kam die Logistik während der Lockdown-Phase bis an ihre Kapazitätsgrenze. Bereits sind neue Paketzentren geplant in Vétroz (Wallis) und Untervaz (Graubünden). Es braucht generell neue Ideen und Nutzungskonzepte im Immobilienmarkt.
Standortgunst wird verändert
In zwei faktenbasierten Analysen hat IAZI untersucht, wie die Corona-Pandemie das Verhalten jedes einzelnen und die Ansprüche an den Wohnraum verändert haben. Seit der ersten Lockdown-Phase im März arbeiten deutlich mehr Menschen von zu Hause aus. Bis zu 85% der Erwerbstätigen könnten sich vorstellen, weiterhin teilweise im Homeoffice zu arbeiten, d.h. wenn es keine Restriktionen durch die Corona-Pandemie mehr geben wird. Eine Mobilitätsstudie der ETH und Universität Basel hat eindrücklich gezeigt, in welchen Raumplanungszonen die Erwerbstätigen ihre Arbeiten erledigen. Dabei ist unter anderem eine Verschiebung der Aktivitäten zu der Wohnzone deutlich sichtbar.
Diese durch Corona bedingten Verhaltensänderungen haben auch die Wohnbedürfnisse verändert. Bei der Standortwahl haben folgende Eigenschaften Konjunktur: Die Grösse und Qualität der Wohnung, individuelle Verkehrsmittel, Nähe zu Grünflächen etc. Im Durchschnitt hat sich der Trend nach mehr Wohnfläche schon seit Jahren durchgesetzt. Das zusätzliche Bedürfnis nach einem Büroraum in der Wohnung dürfte diesen Trend künftig verstärken.
In der ersten Analyse hat IAZI untersucht, wie weit ein Mieter umziehen
muss, um für seine bestehende 3.5-Zimmer-Wohnung eine 4.5-Zimmer-Wohnung mitdem gleichen Preisniveau zu finden. Für jede Gemeinde der Schweiz ist nun ersichtlich, inwelcher Fahrdistanz sich solche Opportunitäten bieten. Dabei sind hochpreisige Gemeinden wie Zürich ganz klar im Vorteil im Gegensatz zu Standorten mit sehr tiefen Mieten, z.B. Jura oder Tessin.
Top-Standort für das «new normal»
In einer zweiten Analyse hat IAZI die Standortattraktivität aufgrund von Präferenzverschiebungen schweizweit auf Gemeindeebene neu ermittelt. Für die Berechnung sind 40 Einzelindikatoren massgebend, wobei nur Gemeinden ab 2000 Einwohnern berücksichtigt werden. Diese Indikatoren beziehen sich auf Werte bezüglich Arbeitsmarkt, Wohnsituation, Reisezeiten, die schulische, medizinische und kulturelle Versorgung etc., wobei hier bereits veränderte Prioritäten ersichtlich sind. Beispielsweise haben nun die Anzahl Ärzte oder Spitäler in der Gemeinde ein stärkeres Gewicht. Die ermittelten Top-Standorte für das Leben in der «neuen Normalität» sind: 1. Männedorf (ZH). 2. Erlenbach (ZH), 3. Hergiswil (NW), 4. Beckenried (NW), 5. Stans (NW), 6. Uitikon (ZH), 7. Ennetbaden (AG), 8. Ennetbürgen (NW), 9. Kilchberg (ZH), 10. Zug (ZG).