Wo und in welche Anlagevehikel investiert werden soll, ist zunehmend von der Anforderung geprägt, wie sich diese Anbieter gegenüber den ESG-Kriterien verhalten. Anbieter, welche sich nicht ernsthaft mit ESG-Kriterien auseinandersetzen, könnten aus dem Anlageuniversum ausgeschlossen werden. Von Remi Buchschacher

«Es gab genau zwei Themen, über welche in der Immobilienbranche in der Corona-Epoche der letzten Monate quasi durchgehend berichtet wurde. Zum einen war es die – weiterhin endlose – Debatte um die Auswirkungen des Homeoffice auf die zukünftigen Büroimmobilienmärkte. Zum anderen war es das Thema ESG*», erklärt Thomas Beyerle vom Immobiliendienstleister Catella. Während Homeoffice primär aus der Branche selbst entsprang, findet das ESG-Thema seinen Weg immer häufiger von aussen in die Immobilienbranche. Der Druck des Kapitalmarktes zwingt die Entscheider Farbe zu bekennen, mit Blick auf die Assets und die Unternehmen. Denn wo und in welche Anlagevehikel investiert werden soll, ist zunehmend von der Anforderung geprägt, wie sich diese Anbieter gegenüber den ESG-Kriterien verhalten.

Wo also in Zukunft investieren, angesichts des immer grösser und unübersichtlich werdendenAnlageuniversums in Schweizer Immobilien? Dieses wird geprägt von einer steigenden Anzahl kotierter und nicht-kotierter Anbieter von Fonds, Gesellschaften und Anlagestiftungen. Viele Anbieter zeichnen sich durch schlanke Unternehmensstrukturen aus, um in diesem kompetitiven Markt zu bestehen. Das führt leider oft dazu, dass sie eine dünne Decke bezüglich ihrer ESG-Kommunikation aufweisen. Denn die Berichterstattung im Bereich «Environmental, Social and Governance» ist aufwändig. Wer die Kriterien einfach auflistet und keine entsprechende Umsetzung vorweisen kann, wird bei den Analysten über kurz oder lang schlecht ankommen. Oder anders ausgedrückt: der Weg zu den finanzkräftigen Investoren wird ihnen verwehrt bleiben.

Kennzahlen genügen nicht mehr

Das bestätigt auch Ruedi Göldi, Portfolio Manager Indirect Real Estate bei der Swiss Finance & Property Group: «Bei der Berichterstattung der Anbieter richtet sich das Hauptaugenmerk auf renditeorientierte Finanzkennzahlen, welche anspruchsvollen institutionellen Investoren je länger je weniger genügen. Dies führt zu einem Umdenken, welches in diesem stark fragmentierten Anlageuniversum nicht von allen Anbietern gleich schnell bewerkstelligt werden kann», schreibt er in seinem kürzlich erschienenen Bericht ESG-Insight (siehe Interview mit Ruedi Göldi unter der Rubrik «Interviews»).

Eine richtige Hebelwirkung hat das ESG-Thema allerdings noch nicht entfaltet. Weder bei den Nutzern, noch bei den Kuratoren von Immobilienanlagen. Doch wie werden die Kosten klimaschädlichen Handelns in Zukunft berücksichtigt? Das fragen mittlerweile immer mehr Finanzinvestoren die Akteure der Immobilienbranche. Für Thomas Beyerle von Catella ist deshalb klar: «Die Folgen und Risiken des Klimawandels und der Klimapolitik sind in den Assets bisher nicht vollständig eingepreist – wohlwollend formuliert». Dabei sei auf der Agenda zumindest bekannt, was auf uns zukommt – er verweist auf die sogenannte  «EU-Taxonomie», welche konkrete Einsparziele beim CO2 und die Definierung eines Klimapfades bis 2050 verlangt.

Grosses Potenzial für Investitionen

Doch die ESG-Kriterien verlangen mehr, als nur die Betrachtung der ökologischen Dimension, sie beinhalten auch den Effekt, welchen die Immobilienwirtschaft auf die Gesellschaft hat. Gesellschaftliche Verflechtungen kreieren einen Druck, durch entsprechende Unternehmensführung soziale Probleme anzugehen – ob durch die Bereitstellung von sozialem Wohnungsraum, Pflegeheimen oder Kinderbetreuungsmöglichkeiten. «All diese Bereiche sind nicht ausreichend vorhanden – und ihr Bedarf wird einerseits aufgrund des fortschreitenden demographischen Wandels, andererseits aber auch eben wegen der Effekte der Corona-Pandemie weiter steigen», ist Beyerle überzeugt. Er sieht deshalb ein grosses Potenzial für die Intensivierung von ESG-Investitionen im Kontext des Social Impacts.

Das sieht auch Ruedi Göldi so: «Wir suchen im Sinne eines Engagements insbesondere mit jenen Anbietern das Gespräch, welche noch keinen ESG-Bericht publizieren. Dabei können wir Anregungen für mehr Transparenz geben und diese Anbieter motivieren, ESG- Kriterien in ihren Anlageprozess zu integrieren. Wir sind überzeugt, dass unser Vorgehen zu einer höheren Ertragskraft und einer besseren Ökobilanz führt».

*ESG steht für «Environmental, Social and Governance» oder – zu deutsch – «Umwelt, Soziales und Unternehmensführung» und definiert den Rahmen für und den Umgang mit nachhaltigen Investitionen.