Der Covid-19 Lockdown trifft Retailer, Dienstleister und Gastronomen hart. «Er begann genau in einer Zeit, in der sich ein neues Gleichgewicht für den Verkaufsflächenmarkt entwickelt zu haben schien. 2019 begann sich der Markt, nach Jahren geprägt von Filialschliessungen aufgrund des wachsenden Online-Shoppings und des Einkaufstourismus im Ausland, endlich wieder etwas zu erholen», heisst es im heute erschienenen Retail Atlas. Aus den neusten Zahlen des Retail Atlas geht hervor, dass mit einem Umsatzverlust von insgesamt CHF 8,5 Milliarden für den Verkaufsflächenmarkt zu rechnen ist, was 8,1% des Jahresumsatzes entspricht. Rund 82% der 20,8 Millionen Quadratmeter Verkaufsflächen in der Schweiz sind betroffen. Je nach Branche und Region gibt es jedoch Unterschiede.

Unter normalen Umstanden würde ein Haushalt im Durchschnitt in der Periode vom 16. März bis zum 11. Mai CHF 4534.- für Angebote der Schweizer Verkaufsflächen ausgeben. Wegen des Lockdowns sank der Betrag dieses Jahr auf CHF 2481.-. Hinzu kommt, dass die schweizweiten Ausgaben für Frühling und Sommer grossenteils wegfallen.

Die Umsatzverluste werden sich auf den Verkaufsflächenmarkt auswirken, doch die Effekte sind je nach Branche unterschiedlich gross. Das Ausmass der Umsatzverluste pro Branche wird durch eine Anzahl von Faktoren bestimmt. Anhand dieser Faktoren wurde für alle 37 Branchen des Retail Atlas eine Schätzung gemacht, wie gross der Umsatzverlust während des Lockdown war und wie viel später noch aufgeholt oder weiter verloren gehen könnte. Folgende vier Faktoren wurden berücksichtigt:

– Inwieweit konnte die Branche stationäre Verkäufe durch Online-Verkäufe ersetzen?
 Ketten sind hier im Vorteil, da ein Online-Shop meist bereits bestand – ganz im Gegensatz zu den selbständigen Detailhändlern.

– Wie wichtig ist die Frühlingsperiode normalerweise für den Jahresverkauf? 
Für die meisten Branchen ist die Frühlingszeit eine Nebensaison, aber einige Branchen erzielen gerade im Frühling ihre Spitzenumsätzen: so etwa die Garten-, Velo- oder Wohnungseinrichtungsbranche.

– Inwieweit werden die nicht gemachten Ausgaben pro Branche nach dem Lockdown nachgeholt?
 Viele Ausgaben, die während des Lockdowns nicht gemacht werden konnten, werden später im Jahr nachgeholt, etwa Möbel, Elektronik oder Optik. In anderen Branchen ist das weniger wahrscheinlich oder gar nicht möglich, so wie im Mode- oder Gastronomiebereich.

– Waren die Filialen der Branche gezwungen zu schliessen und falls ja, für wie lange?
 Während die Filialen im Bereich periodischer Bedarf, Telekom, Tiernahrung, etc. während des gesamten Lockdowns weiter offen bleiben konnten, durften u.a. Gartencenter, Baumärkte und Coiffeure erst am 27. April wieder öffnen. Die anderen Retailer und die Gastronomen mussten hingegen bis zum 11. Mai warten.

Bei 18% der Schweizer Verkaufsflächen führte der Lockdown zu keinen Umsatzverlusten oder gar zu einer Umsatzsteigerung. Dies betrifft hauptsächlich die Supermärkte.
 Bei 14% der Flächen ist der Umsatzverlust kleiner als 10% des Jahresumsatzes. Einerseits gehören hierzu Retailer, die zwar während des Lockdowns offen bleiben konnten, aber weniger Umsatz machten. Anderseits gehören dazu Retailer, die schliessen mussten, aber durch kreative Konzepte wie Online-Aktionen, Take Away oder Gutschein-Kampagnen dennoch etwas Umsatz generieren konnten. Für beinahe die Hälfte der Schweizer Verkaufsflächen war dies nicht oder kaum möglich. Hier gleicht der Umsatzverlust dem gesamten Umsatz, der in dieser Zeit normalerweise anfallen würde, d.h. 10% bis 15% des Jahresumsatzes.

Bei 20% der Verkaufsflächen ist der Umsatzverlust grösser als 15% des Jahresumsatzes. Dies betrifft vor allem Gastronomen und Retailer, die vom Tourismus abhängig sind, wie zum Beispiel Reisebüros, Souvenirläden und Hotelgastronomen in Tourismusdestinationen.

Während sich in den letzten Jahren die Umsatzverluste im Retail vor allem auf mittelgrosse Einkaufszentren und Ortszentren konzentrierten, sind die Effekte des Lockdowns in allen Zentrumstypen spürbar. Besonders vom Lockdown betroffen sind Standorte, die ausserhalb vom Zentrum und an den Rändern der Ortszentren liegen.

In Einkaufszentren hat die überwiegende Mehrheit der Filialen einen Umsatzverlust von 10% bis 15%. Bei den Einkaufszentren hängt der Umsatzverlust stark davon ab, wie sich die Modebranche in der zweiten Jahreshälfte von der schwachen Frühlingssaison erholen wird.
 In den Fachmarktgebieten waren fast alle Mieter von einer Schliessung betroffen, jedoch hat hier die relativ frühe Lockerung ab dem 27. April die Verluste etwas dämpfen können. So könnte sich beispielsweise die Wohnungseinrichtungsbranche später im Jahr vom Umsatzverlust der Frühlingssaison etwas erholen.

Neben dem Typ des Einkaufgebiets als Ursache für unterschiedliche Umsatzverluste, gibt es auch sehr grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen der Schweiz. Dies wird einerseits verursacht durch das Wegfallen der Tourismusausgaben und anderseits durch das Verbot des Einkaufstourismus. Bei geschlossenen Grenzen konnten die Retailer in den Schweizer Grenzregionen vom Wegfallen der Konkurrenz im Ausland profitieren. Hingegen werden touristische Orte auch nach der Wiedereröffnung der Geschäfte noch lange mit grossen Umsatzverlusten rechnen müssen, da die internationalen Touristen ausbleiben werden. Dies trifft neben den Gastronomen auch viele Detailhändler im Food und Non-Food Bereich. Je länger die Grenzen geschlossen sind und die Touristen wegbleiben, desto grösser werden diese regionalen Unterschiede.