Die zwanghaft verordnete Quarantäne hatte auch Vorteile und war insgesamt eine wertvolle Zeit – wenn man sie positiv nutzte. Wie Corona die Arbeitswelt und die Immobilienbranche verändert. 

Von Markus Baumgartner*

Wer hätte noch vor wenigen Wochen geglaubt, dass innerhalb weniger Tage weltweit Schulen, Universitäten, Verwaltungen, Restaurants und zahlreiche Parks geschlossen werden? Dass die meisten Büros leer sind, weil alle im Homeoffice sind? Dass kaum mehr Züge fahren, der Flugverkehr lahmgelegt wird und das gesamte öffentliche Leben praktisch zum Stillstand kommt?

Was allen gut tat: Die Entschleunigung, raus aus dem Hamsterrad von überlangen Tagen mit vielen Sitzungen, überquellenden Mails und vielen Events am Abend. Dienstreisen sind zum Stillstand gekommen. Es gibt wieder mehr Zeit für die Familie, Zeit zum Nachdenken und den Sinn in allem erkennen. Die Ruhe mit weniger Menschen, weniger Verkehr und Fluglärm ist Balsam für die Seele. Es wäre in der gegenwärtigen Situation eine Überlegung wert, über ein Downsizing in vielen Bereichen nachzudenken: Brauchen wir wirklich so viel Konsum, so viel Wohnraum, so viele Statussymbole oder so viel Sport zum Anschauen? Weniger ist mehr. Der Lockdown führt uns die wahren Werte des Lebens vor Augen.

Welche Veränderungen bleiben?

Faszinierend ist die menschliche Anpassungsfähigkeit auf Krisen. Jede Krise führt zu einer Veränderung. Meist kurzfristig, bei längeren Krisen treten auch anhaltende Veränderungen ein. In der Medizin spricht man nach einer Dauer von rund drei Monaten von einem chronischen Zustand. Welche Veränderungen werden unser Leben in der Schweiz, in Europa und weltweit nachhaltig beeinflussen? Die Folgen und Auswirkungen der drohenden Wirtschaftskrise sind das eine. Werden wir durch diese Krise, die viele in eine soziale Isolation zwingt, auf Dauer auch in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen misstrauischer? Bleibt der Reflex des Distanzschaffens hängen, werden Berührungen gar als potentiell gefährlich abgespeichert? Oder entsteht vielmehr eine Bewegung der Solidarität und Nähe?

Zeit für neue Ideen

Statt sich von der Pandemie lähmen zu lassen, ist es Zeit für Innovationen. Die Digitalisierung im Lockdown hat sich in vielen Branchen beschleunigt. Die Video-Meetings sind effizienter – mehr Aufmerksamkeit, weniger unnötiges Geschwätz. Die neue Ruhe sollte genutzt werden, um das bisherige Geschäft zu hinterfragen und sich neue Ideen zu überlegen. «Disrupt yourself» könnte man mit dem deutschen Autor Christoph Keese sagen. Er empfiehlt jedem die Generalüberholung seines Tuns und Denkens. Er fordert auf, die persönlichen Stärken zu erkennen und zu nutzen, um sich radikal neu zu erfinden.Er beschreibt etwas, was ohnehin seit längerem Realität ist: Die Welt wird umgewertet. Dabei geht es um den Fokus auf Dinge, die anfällig für Automatisierung sind. Oder auf Empathie und sozialer Interaktion, die wenig anfällig für Automatisierung sind. Die digitale Entwicklung ist in diesem Kontext zu sehen. Sie ermöglicht einen noch effizienteren Austausch mit den Kunden, hilft, Kosten zu senken und mit künstlicher Intelligenz Entscheide noch besser zu treffen.

Ein schönes Beispiel einer Innovation ist die digitale Gästemappe von «gastfreund.net»: Sie ist eine Weiterentwicklung der traditionellen Mappe für Gäste im Hotelzimmer. Sie bündelt alle wichtigen Informationen und Angebote rund um den Aufenthalt der Gäste –  direkt auf deren Smartphone und Tablets. Mobile Buchungen steigern die Verkäufe von Angeboten und Services. Push-Nachrichten und Chat-Funktionen unterstützen die Kommunikation von Angeboten, Neuigkeiten und Tipps. Und vor allem entlasten die digitalen, automatisierten Arbeitsschritte das Team und schonen die Umwelt. Mehr Service. Mehr Umsatz. Mehr Zeit.

Haben Grossraumbüros ausgedient?

Nach der wochenlangen Quarantäne im Homeoffice fragen sich die Mitarbeiter ganz neu: Was motiviert mich, zurück an meinen Arbeitsort, zurück ins Büro zu gehen? Interessant ist eine Analyse über den Büromarkt: «Büros brauchen ein Lagerfeuer! Warum Corona den Büromarkt massiv verändern wird» lautet die Studie. Welchen Erinnerungen haben wir an das letzte Lagerfeuer? Dort schmeckt alles besser und es gibt die spannendsten Geschichten und die persönlichsten Momente. Ums Feuer sitzen und übers Leben reden. Das sind handyfreie Zeiten, ein regelmässiger «Digital Detox». Ein «Saturday Night Feuer», um regelmässig in Feuerlaune zu kommen.

Gerade junge Menschen fordern seit langem einige Verbesserungen in der Arbeitswelt. Doch bisher haben viele Unternehmen bei Anliegen Richtung flexibleren Strukturen und mehr Umweltbewusstsein eher zögerlich reagiert. Doch die Krise zeigt: Homeoffice ist gar nicht so schwer umzusetzen und nicht jeder Geschäftstermin muss zwingend mit einer Reise und CO2-Ausstoss einhergehen. Für viele junge Leute ist Homeoffice eine Selbstverständlichkeit. Ohne die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, würden 40 Prozent der nach 1994 Geborenen – also der Generation Z – einen Job nicht annehmen, mehr als in jeder anderen Generation. Das zeigt die «Recruiting Trends»-Studie der Universitäten Bamberg und Erlangen-Nürnberg, für die mehr als 3500 Menschen befragt wurden.

*Markus Baumgartner ist Partner bei b-public.ch