Starke Korrekturen und eine ausserordentlich hohe Volatilität, so präsentieren sich die Immobilienmärkte zurzeit. «Welche Auswirkungen sind temporär, welche bringen längerfristige, strukturelle Veränderungen mit sich?», fragt sich Urs Fäs, Head of Investment Products bei UBS Asset Management, Real Estate Switzerland. Er ist überzeugt, dass die Stabilität der Schweizer Immobilienfonds sich auch nach der aktuellen Krise auszahlen wird.

Wie entwickelten sich die Immobilien-Indices in den letzten Tagen?

Urs Fäs: Der Index der kotierten Immobilienfonds (SXI Real Estate Funds Index) hat zwischen dem 10. und 17. März um fast 17 Prozent korrigiert. Eine solch starke Korrektur in so kurzer Zeit hat es bei den Immobilienfonds meines Wissens noch nie gegeben, nicht einmal während der Finanzkrise. Einhergehend haben wir einen Markt gesehen, der von ausserordentlicher Volatilität und Nervosität geprägt war. Im Verlaufe des Monats konnte der Index wieder Boden gut machen und steht per Quartalsende bei rund 3.5 Prozent im Minus gegenüber dem Jahresbeginn.

Wie deuten Sie diese Veränderungen aufgrund der Coronakrise?

Die Massnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des COVID-19 (Ladenschliessungen, Social Distancing,etc.) fordern uns alle stark heraus. Dies tangiert auch die Immobilienmärkte und deren Akteure. Auf der kommerziellenMieterseite werden gewisse Branchen sehr direkt und unmittelbar getroffen, andere weniger direkt oder nur marginal. Auch auf der Investorenseite ist die Betroffenheit gross, wenn es beispielsweise um potenzielle Ertragsausfälle und Performanceeinbussen bei Pensionskassen geht. Die Vielzahl offener respektive noch nicht geklärten Fragen schafft Unsicherheiten und teilweise Orientierungslosigkeit. Man fragt sich: welche Auswirkungen sind temporär, welche bringen längerfristige, strukturelle Veränderungen mit sich? Die Märkte geben im Prinzip genau dieses Bild wieder: Starke Korrekturen und eine ausserordentlich hohe Volatilität.

Die Immobilienpreise legten in den letzten Jahren deutlich zu, die Renditen sanken in sehr tiefe Bereiche. Bröckeln jetzt die Preise – oder kommt es zu einer Flucht in Beton?

Fundamentale Faktoren wie Niedrigzinsumfeld, Anlagenotstand und vorallem die relativ hohe Stabilität der Cashflows sprechen unverändert – teilweise gar zunehmend – für Anlagen in Schweizer Immobilien.Allerdings erwarten wir eine weitergehende Differenzierung entlang von Sektoren, Laufzeiten und Lagequalitäten.

Im Vergleich zu früheren Krisen und im Unterschied zu anderen Ländern trifft die aktuelle Eintrübung aufgrund der Coronakrise in der Schweiz auf einen Immobilienmarkt, der nur zu einem kleinen Teil fremdfinanziert ist. Hilft das, die Folgen zu mildern?

Das ist so.Der geringe Anteil an Fremdfinanzierung trägt tatsächlich zur Robustheit der Portfolien in einem solchen Umfeld bei.

Immobilienfonds und Immobilienaktien korrelierten in frü­heren Krisen wie der Dotcom-Blase 2001 und der Finanzkrise ab 2008 mit dem Aktienmarkt und verzeichneten einen Rückschlag, wenn auch in geringerem Ausmass. Wie werden sie sich nun in der Coronakrise verhalten?

Die Abkühlung der Wirtschaftsaktivität wird die Immobilienmärkte tangieren. Kurzfristig erwarten wir weiterhin volatile Märkte. Aber: es gibt gute Gründe, die dafür sprechen, dass Immobilienanlagen auch mit der aktuellen Krise relativ gut umgehen können. Die langfristige Natur der Einflussfaktoren  (Nachfrage, langfristige Mietverträge) tragen zur Resilienz der Immobilienmärkte bei. Dies trifft insbesondere beim Mietwohnungssektor zu, der sich typischerweise wenig zyklisch entwickelt und bei einem solchen Schock relativ robust bleibt. Auch ist das aktuell anhaltende Tiefzinsumfeld ein gewichtiger Faktor, der zur Stabilität der Schweizer Renditeliegenschaften beitragen dürfte. Persönlich bin ich überzeugt, dass die Stabilität der Schweizer Immobilienfonds sich auch nach der aktuellen Krise auszahlen wird.

Die indirekten Immobilientitel wurden letztes Jahr überproportional nachgefragt und galten als Sicherer Hafen. Wird sich das nun ändern?

Aktuelle Entwicklungen der Wirtschafts- und Finanzmarktprognosen infolge der Entstehung der COVID-Krise haben zumindest zu taktischen Anpassungen der Investorenallokation geführt. Unserer Meinung nach bleibt aber ein angemessenes Immobilienexposure für die Stabilität eines Multi-Asset-Portfolios in einer mittel- bis langfristigen Perspektive unverändert wichtig. Insbesondere sind die laufenden Renditen sowie das Diversifizierungspotenzial der Immobilienanlagen in volatilen Zeiten besonders zu schätzen.

Kommt es zu einer Rezession, könnten die Immobilienbesitzer über die nächsten fünf Jahre rund zehn Prozent ihres Investments verlieren. Dabei nicht eingerechnet sind die Mietzinsausfälle, die sich nun vermehrt ankündigen. Wird das zu Wertberichtigungen führen?

Da schildern Sie ein sehr extremes Szenario. Die Effekte der COVID-Ausbreitung auf den Schweizer Immobilienmarkt werden schlussendlich von der Dauer und der Intensität der Krise sowie vom Umfang der Unterstützung des Bundes abhängen. Angesichts des aktuell hohen Niveaus der Unsicherheiten ist es unserer Meinung nach noch verfrüht, um die mittel- bis langfristigen Folgen dieser Krise beziffern zu können. Gewisse Wertberichtigungen in einzelnen Bereichen sind aber wohl in Kauf zu nehmen. Die Effekte dürften je nach individuellen Liegenschaftseigenschaften (Sektor, Makro-/Mikrolage, Mietverträge, etc.) sehr unterschiedlich ausfallen.

In indirekten Immobilienanlagen sind sehr viele Pensionskassen und Versicherungen investiert. Drohen ihnen nun bei Wertberichtigungen Leistungsreduktionen?

Das hängt, wie gesagt, von vielen Faktoren sowie dem individuellen Portfolio ab.

Allerdings traten die institutionellen Anleger in den letzten Jahren auch als starke Preistreiber an den Immobilienmärkten auf. Eröffnet die Krise nun vermehrt Opportunitäten für private Anleger?

Ich erwarte, dass der Transaktionsmarkt für Schweizer Immobilien, insbesondere im Core-Segment, umkämpft und angespannt bleibt. Schweizer Liegenschaften wecken weiterhin das Interesse verschiedenster Investoren. Allerdings könnte das aktuelle Umfeld akzentuiert zu Korrekturen beim Handel von Liegenschaften in stark exponierten Sektoren oder in Einzelfällen auch zu Notverkäufen (‚distressed sales‘) führen. Solche Situationen können interessante Investitionsopportunitäten bieten, sowohl für private als auch für institutionelle Anleger.

Interview: Remi Buchschacher

Urs Fäs ist Head of Investment Products bei UBS Asset Management, Real Estate Switzerland.