«Die Investoren müssten nicht nur ans Risiko denken, sondern sie erleben aktuell live selber mit, was Risiken sind», sagt Donato Scognamiglio, CEO von IAZI. Während aus seiner Sicht Mietwohnungen nach wie vor attraktiv sind, könnte es bei kommerziell genutzten Liegenschaften zu einer Wertkorrektur von rund 10 Prozent kommen.  

In der Schweiz werden zu viele Mehrfamilienhäuser gebaut, Zehntausende von Mietwohnungen stehen leer. Dieses Problem besteht seit Jahren. Doch nun droht wegen der Corona-Pandemie eine Rezession. Und Immobilieninvestoren könnten viel Geld verlieren. Wie hoch schätzen die bevorstehenden Verluste ein?

Prof. Donato Scognamiglio: Bei den indirekten Immobilienanlagen hat die Korrektur an der Börse bereits stattgefunden. Die Korrelation zum Aktienmarkt dieser Titel ist sehr hoch, insbesondere bei Gesellschaften mit Geschäftsliegenschaften im Portfolio hat sich der Börsenkurs bereits stark reduziert und liegt jetzt oft etwa auf dem Niveau der entsprechenden Net Asset Value (NAV). Die eigentlichen Direktanlagen hingegen werden unterschiedlich stark betroffen sein.Bei Mehrfamilienhäusern an zentralen Lagen gehen wir nicht von wesentlichen Korrekturen aus. Einmal mehr hat sich gezeigt, wie attraktiv die Investitionen in Mietwohnungen sind, dank dem relativ stabilen Cashflow.

Welche Liegenschaften werden betroffen sein?

Von allfälligen Korrekturen werden Liegenschaften betroffen sein, deren Mieter aufgrund des Lockdowns vom 16. März gegenwärtig keine Umsätze erzielen. Hier wird es neben der Stundung der Mieten auch zu Mietausfällen kommen. All dies wird tendenziell entsprechende Wertkorrekturen nach sich ziehen, in einem Segment, das sich schon vor Corona in einem schwierigen Umfeld befand, aufgrund der gegenwärtigen Umwälzungen im Detailhandel. Das genaue Ausmass kann aber ebenso wenig wie die weitere Entwicklung der Corona-Krise vorausgesagt werden. Alles ist mit einer grossen Unsicherheit behaftet, da es verschiedene Szenarien gibt, von Best Case bis Worst Case. Glaubt man den Investoren an der Börse, liegt aber eine Korrektur der Werte von 10 Prozent bei den kommerziell genutzten Liegenschaften durchaus drin.

Im IAZI Swiss Property Benchmark weisen Sie auf ein gutes Jahr 2019 für die Immobilienwirtschaft hin. Sogar auf eine Trendwende. Wie lange wird diese verbesserte Situation hinhalten?

Die Trendwende betrifft die nicht realisierten Mieten, die sich durch eine Reduktion der Sollmieten verringert haben. Insbesondere bei Geschäftsliegenschaften in der Stadt Genf gab es spürbare Rückgänge. Aufgrund der vorher erwähnten bevorstehenden Mietzinsausfälle wird sich leider im 2020 die Situation bei diesen Liegenschaften wieder verschlechtern. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nach der Krise der Konsum wieder ansteigen wird. Somit könnte ein Teil der Verluste im Cashflow wieder kompensiert werden.

Sie weisen im IAZI Swiss Property Benchmark auch auf die Wertveränderungen durch Hohe Aufwertungen von Immobilien hin. Es ging nur noch aufwärts. Deutet das auf ein tiefes Risikobewusstsein seitens der Investoren hin?

Ja, bis vor der Krise wurden sämtliche Warnungen von möglichen Korrekturen zwar angehört, aber auch etwas belächelt. Man ging davon aus, dass die Zinsen für immer tief bleiben würden und daher die Werte nicht korrigieren werden. Dass der Wert der Liegenschaften unter Druck kommen könnte, weil im Rahmen einer Rezession und insbesondere Lockdowns Einnahmen wegbrechen, daran hat niemand gewagt zu denken.

Investoren müssten also wieder vermehrt ans Risiko denken. Wird sich dieses fehlende Risikobewusstsein nun in diesem Jahr negativ auf die Märkte auswirken?

Die Investoren müssten nicht nur ans Risiko denken, sondern sie erleben aktuell live selber mit, was Risiken sind. Wenn Mieter ihre Miete nicht mehr bezahlen, wenn Wohnungen nicht besichtigt werden können, weil die Mieter Angst vor einer Ansteckung haben; wenn Investoren nicht in kommerzielle Objekte investieren wollen und wenn es eine Million Anträge für Kurzarbeit gibt, dann erfahren wir im Kollektiv, was Risiken sind, insbesondere, wenn sie tatsächlich eintreten.

Nun korrigieren auch die Börsen.

Die Korrekturen an der Börse für indirekte Anlagen schmerzen, doch sie bieten auch gute Einstiegsmöglichkeiten. Wenn sich das Angebot an Verkaufsobjekten reduziert, stützt das zudem die Preise. Auch die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen helfen mit, dass nicht die Immobilieneigentümer mit massiven Mietausfällen zu rechnen haben. Die Zeche wird spätestens der Bund beziehungsweise der Schweizer Steuerzahler berappen müssen, wenn die ersten Firmen ihre «Notkredite» nicht amortisieren können.

Sinkende Märkte bieten auch immer Chancen für Käufe. Welche Opportunitäten entstehen dadurch?

In jeder Krise sind diese Investoren gut aufgestellt, die genügend Cash und möglichst wenig Fremdkapital haben. Einstiegschancen an der Börse gibt es bereits heute, nicht nur bei Immobilienaktien. Allerdings eignet sich eine Immobiliendirektanlage nicht für Spekulationsgeschäfte. Die Investition in Immobilien ist langfristig. Jene, welche über ein solides Finanzierungspolster verfügen, werden ihre Liegenschaften zudem nicht mit Abschlägen verkaufen und können aufgrund der tiefen Zinsen weiterhin sehr erfolgreich unterwegs sein, auch wenn die Preise sinken sollten. Die Krise wird vermutlich solche Business-Modelle etwas abstrafen, die auf stetig steigende Werte, steigende Mieten und tiefe Zinsen in alle Ewigkeit spekuliert haben.

Dass sich die Leerstände 2019 reduziert haben, sei auf tiefere Mieten zurückzuführen, schreiben Sie im IAZI Swiss Property Benchmark weiter. Nun werden aber weitere Zugeständnisse an Mieter unumgänglich. Sinken die Mieten nun auf breiter Front?

Bei Mietwohnungen rechnen wir für dieses Jahr mit rund  einem Prozent Senkung, dies auch aufgrund des gesunkenen Referenzzinssatzes und der Tatsache, dass nicht alle Mieter einen Anspruch haben oder geltend machen.Die Mieten im Geschäftsbereich (Einzelhandel, Restaurants, Fitnesscenters etc.) werden den Eigentümern grundsätzlich nicht geschenkt, sondern nur aufgeschoben. Aufgrund der vom Bundesrat getroffenen Massnahmen sollte es in diesem Jahr nur zu gewissen Ausfällen kommen. Tendenziell werden aber in einer Rezession die Mieten im Geschäftsbereich nicht steigen. Grosse Firmenbüros könnten auch unter Druck geraten, wenn sich die Home-Office-Kultur nach der Krise wirklich weiterentwickelt.

Alle Liegenschaftskategorien haben 2019 ein starkes Performance-Wachstum vorzuweisen. Ermöglicht wurde dieses Ergebnis durch eine «Kostenersparnis» vor allem im Bereich Unterhalt und Investitionen. Jetzt kommen auch noch Mietausfälle dazu. War der Schweizer Immobilienmarkt grundsätzlich zu hoch bewertet?

Die von unserer Firma bewerteten Liegenschaften sind nicht überbewertet. Wir haben uns immer an effektiv bezahlten Preisen orientiert, keine Inserate mit Wunschpreisen in die Bewertungen einfliessen lassen und auch das Spiel des überoptimistischen Wachstums bei den Mieten in der DCF-Bewertung nicht mitgemacht.

Im Szenario einer weltweiten Wirtschaftskrise wären die Immobilienmärkte also auch tangiert. Höhere Arbeitslosigkeit und Betriebsschliessungen würden sich in erster Linie auf den Geschäfts- und Büromarkt niederschlagen. Eine Senkung des Lohnniveaus und eine Zunahme der Arbeitslosigkeit könnten sich auf die Entwicklung der Wohnungsmieten und Preise für privates Wohneigentum negativ auswirken. Wie lange hält der Markt das durch?

In Zeiten der Krise werden die elementaren Bedürfnisse befriedigt, dies sieht man nicht nur an den bekannten Hamsterkäufen gewisser Produkte. Wohnen deckt eines dieser Grundbedürfnisse ab. Die Kosten der Miete betragen im Mittel rund 20 Prozent des Haushaltseinkommens. Selbst bei tendenziell tieferen Löhnen gehe ich nicht davon aus, dass die Bestandsmieten sich gross ändern werden. Anders sieht es bei der Erstvermietung oder Wiedervermietung aus. Hier wird es weitere Korrekturen gegen unten geben. Dieser Anpassungsprozess wird dauern, da ja bekanntlich weniger als 20 Prozent der Mieter pro Jahr die Wohnung wechseln.

Und bei den Eigenheimen?

Bei Eigenheimen werden eher die luxuriöseren Objekte unter Druck kommen. Gängige Eigenheime werden begehrt bleiben.

Wertveränderungen an einzelnen Immobilien werden ganze Portfolios tangieren. Vor allem bei den Fonds sind die Agios in letzter Zeit stark gestiegen. Kommt nun die Korrektur bei den Agios und Kursen?

Ja, die Korrektur hat schon stattgefunden. Die Kurse sind synchron zu den Aktienmärkten eingebrochen und teilweise gab es gar Disagios.

Auswirkungen haben die Performance-Rückgänge direkt für Versicherungen und Pensionskassen. Wie lange können diese ohne Leistungsreduktionen durchhalten?

Glücklicherweise war das Jahr 2019 ein Spitzenjahr in sämtlichen Anlageklassen, insbesondere den Aktien. Keiner weiss, ob die Krise in zwei Monaten oder erst in neun Monaten vorbei ist. Wie stark die Kassen betroffen sind, hängt stark davon ab, ob es im 2020 zu einer Aufholjagd kommen wird oder nicht. Eine fundierte Prognose scheint mir aufgrund der enormen Unsicherheit nicht seriös.

Interview: Remi Buchschacher

Donato Scognamiglio ist CEO und Mitinhaber der Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien AG (IAZI) in Zürich. Er ist zudem Dozent für Real Estate & Finance und Titularprofessor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern.